hamburg heute
: Agonie eines Landes

Am Thalia liest die georgische Autorin Nino Haratischwili für Kriegsflüchtlinge aus ihrer Heimat

Es ist eine Geschichte, die extrem autobiographisch klingt, ohne dass man der Autorin zu nahe treten möchte: Von einer 25-jährigen Fotografie-Studentin, die von Hamburg aus in ihre georgische Heimat reist, handelt das Theaterstück „Georgia (Agonie)“, das Nino Haratischwili am Thalia in einer szenischen Lesung präsentiert. Voriges Jahr bereits hatte die georgische Autorin und Regisseurin das Stück im hiesigen Lichthoftheater in Szene gesetzt.

Diesmal ist der Anlass denkbar aktuell. Denn Haratischwili möchte nicht nur zur differenzierten Reflexion über den Georgien-Konflikt anregen, sondern auch den Grat zwischen individueller Selbstfindung und der Identitätssuche eines kleinen Landes aufzeigen. Das indes könnte – so die derzeit grassierende Theorie – durch die USA zum Angriff auf die abtrünnige Republik Südossetien ermuntert worden sein.

Aber wie dem auch sei: die Opfer sind die Zivilisten aller Seiten, weswegen das Thalia-Theater die Lesung als Benefizveranstaltung für georgische Kriegsflüchtlinge definiert hat: „Wir haben selten Gelegenheit, zeitnah auf aktuelle Ereignisse zu reagieren“, sagt Thalia-Intendant Ulrich Khuon. Deshalb habe er gern die Chance ergriffen, die in Hamburg lebende, kürzlich von einer Georgien-Reise zurückgekehrte Autorin zu einer Lesung mit anschließendem Gespräch einzuladen.

Denn so viel ist sicher: Was Augenzeugen berichten, unterscheidet sich bisweilen beträchtlich von dem, was Medien berichten; der Einzelne hat den oft schärferen Blick für komplizierte Zusammenhänge. Andererseits wird „Georgia (Agonie)“, dessen Protagonistin bei ihren georgischen Verwandten mäßig willkommen ist, offenbaren, was alle im Exil Lebenden umtreibt: die Tatsache, dass sie überall als Fremde gelten. „Georgia (Agonie)“ ist also nicht nur ein kleinteilig politisches Stück, sondern eins mit weitem Horizont. PS

20 Uhr, Thalia in der Gaußstraße