Menschen als Kostenfaktor

Chip-Hersteller NXP-Semiconduction plant, in Lokstedt 850 Jobs zu streichen. Die Ex-Philips-Sparte gehört einer Investmentgruppe. IG Metall berät heute darüber, wie die Pläne zu durchkreuzen wären

VON MAGDA SCHNEIDER

Die IG Metall in Hamburg muss sich gegen Finanz-Heuschrecken wehren: Überraschend kündigte das Management des holländischen High-Tech-Unternehmens „Next Experience Semiconductors“ (NXP) an, im Chipwerk an der Stresemannallee in Lokstedt 850 Jobs zu streichen – davon 650 in der Produktion. Der Personalabbau des Multis soll bis 2010 vollzogen sein. Damit fällt ein Drittel der 2.400 NXP-Jobs in Hamburg, dem deutschen NXP-Hauptsitz, weg. Im Lokstedter Werk werden Chips, Transistoren und Dioden gefertigt.

Der Jobabbau ist Bestandteil eines weltweiten Profit-Maximierungskonzeptes des NXP-Konzerns. 4.500 der 31.000 Arbeitsplätze in 20 Ländern möchte der Global Player abbauen und glaubt, dadurch 400 Millionen Euro Kosten pro Jahr einsparen zu können. Die Einschnitte seien hart, aber notwendig, um aus NXP ein wachsendes, profitables Unternehmen zu machen, behauptet Konzernchef Frans van Houten. Die einst zum Philips-Konzern gehörende NXP-Halbleitersparte war 2007 aus dem holländischen Elektrokonzern ausgegliedert und zu 80,1 Prozent an eine Gruppe von Investment-Instituten für 6,4 Milliarden Euro verkauft worden.

Der Konzern bedauere, sagt van Houten, wenn nun Menschen gehen müssten. Eine Sprecherin des Lokstedter Traditionswerks verspricht, dass mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan verhandelt werde. Das Werk ist aus der Röhrenfabrik „Valvo“ hervorgegangen, die bis in die 80er Jahre Weltmarktführer bei Fernsehbildröhren war.

Die IG Metall reagiert auf die Ankündigung des NXP-Managements überrascht und entsetzt. „Wir werden unser Vorgehen mit den Beteiligten am Montag morgen absprechen“, sagt der Hamburger IG Metall-Bevollmächtigte Eckard Scholz.

Es ist davon auszugehen, dass die IG Metall nicht die Hoffnung von Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) teilt, die Menschen würden schon neue Jobs finden. Vielmehr gilt es als sicher, dass die Gewerkschaft ihr im Norden entwickeltes Repertoire voll ausschöpfen wird, um den Arbeitsplatzabbau ganz oder teilweise zu verhindern oder etwaige Jobverluste sozial durch hohe Abfindungen und Weiterqualifizierung abzufedern. Dazu gehört die Aufnahme von Verhandlungen über einen Ergänzungs- oder Sozialtarifvertrag, wofür die Gewerkschaft – im Gegensatz zum Betriebsrat – Arbeitskampfmaßnahmen einleiten kann. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darf sie dabei auch andere Standorte – wie das Zweigwerk in Hausbruch – einbeziehen.

Derartige Arbeitskämpfe sind von der IG Metall schon öfter geführt worden. So setzten 2006 die 800 Beschäftigten des Münchner Halbleiterwerkes von Infineon mit einem einwöchigen Streik einen ansehnlichen Sozialplan durch, als das Werk geschlossen wurde. 2003 streikten die 800 Beschäftigten des Kieler Werkes von Heidelberger Druckmaschinen, um die Folgen einer Produktionsverlagerung zu vermindern. Auch sie hatten Erfolg.