Am begehrtesten ist der Papst-Euro

Bilanz ein Jahr nach der Währungsumstellung: Katastrophen blieben aus, Depressionen auch. Das gemeine Volk spürt zu Hause den Teuro und freut sich im Urlaub über die neue Preistransparenz. Die größten Euro-Fans sind die Sammler

von KATHARINA KOUFEN

In der Silvesternacht 2001, eine Minute nach Mitternacht, schickte die Deutsche Presseagentur eine Eilmeldung an die Ticker: Der Euro ist da. Da standen Menschen schon seit Stunden vor den Bankautomaten Schlange, mit Thermoskannen und Sektflaschen, um die neuen Scheine in Empfang zu nehmen. Allen Angst-Debatten zum Trotz: Die Euro-Einführung war ein sinnliches Ereignis, und wem dafür der Sinn fehlte, dem war das neue Geld egal. Katastrophen und Depressionen aber, wie sie vor der Umstellung vorhergesagt wurden, blieben aus.

Ähnlich lässt sich die Bilanz nach einem Jahr Euro zusammenfassen. Weder wurde Deutschland von einer Horde wilder Geldfälscher heimgesucht, noch verfielen Angestellte in Melancholie, weil ihre Gehälter nur noch halb so hoch aussehen. Die Inflation aus den südeuropäischen Ländern ist uns erspart geblieben, und der Wertverfall gegenüber dem Dollar auch – der Euro hat im letzten Jahr stetig zugelegt, zuletzt auf über 1,05 Dollar. Stattdessen konnten Touristen zum ersten Mal den Vorteil des Euro spüren: Von Finnland bis Spanien kein Umtauschen mehr, kein Rechnen mit fünfstelligen Preisen etwa im Italienurlaub.

Gewiss, es hat auch Ärger wegen der Umstellung gegeben. Vor allem Gastwirte haben ihre Preise kräftig aufgerundet, die Teuro-Debatte klingt noch in den Ohren. Am Misstrauen gegenüber dem Teuro und den „gefühlten“ Preissteigerungen soll es unter anderem auch liegen, dass die Menschen zur Zeit weniger Geld ausgeben als sonst. Tatsache ist jedoch: Insgesamt steigen die Preise kaum. Mit 1,1 Prozent ist die Inflation in Deutschland so niedrig wie schon lange nicht mehr. Mittlerweile warnen manche Ökonomen sogar schon von einer drohenden „Deflation“, also zu stark sinkenden Preisen.

Anders in Italien: Dort liegt die Preissteigerung bei 2,9 Prozent, und weil viele Italiener offenbar Schwierigkeiten mit der Umrechnung von Lira in Euro haben, will die Regierung die doppelte Auszeichnung wieder einführen, so gestern Ministerpräsident Berlusconi.

Das Rechnen in Euro fällt auch vielen Deutschen schwer: 84 Prozent rechnen immer noch in D-Mark. Kurz nach der Umstellung soll es Leute gegeben haben, die plötzlich alles „mal zwei“ nahmen: Das Mehl für den Kuchen, die Schuhgröße, die Reisedauer.

Das sonnigste Verhältnis zur neuen Währung haben vermutlich die Sammler: Ganze Internetseiten widmen sich den Nachfragen nach bestimmten Euro-Münzen. Besonders beliebt: Die seltenen Stücke aus dem Vatikanstaat. Für Münzen mit päpstlicher Prägung werden bis zu 1.000 Euro gezahlt.

Die Sammler müssen den landestypischen Geldstücken hinterherlaufen, weil diese sich langsamer vermischen als erwartet. Für Österreich fand die Zentralbank heraus: Jede fünfte Münze stammt aus dem Ausland, die meisten aus Deutschland. Wenn die Vermischung abgeschlossen ist, müsste in Euroland jede dritte Münze aus Deutschland stammen.