Mehr Verkehr, weniger Schadstoff

Gegen das Votum Österreichs verabschieden die EU-Verkehrsminister eine neue Regelung für den Alpentransit. Sie setzt auf schadstoffarme Laster

Die EU-Staaten sind sich einig, dass der Alpentransit grundsätzlich neu geregelt werden muss

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Beim Europäischen Rat in Kopenhagen Mitte Dezember hatten viele noch an einen Silvesterscherz geglaubt: Dass die Dänen die EU-Verkehrsminister tatsächlich am letzten Tag des Jahres in Brüssel zusammentrommeln würden, um den Alpentransit schwerer Laster neu zu regeln, hatte niemand für möglich gehalten.

Dabei hätten es alle Beteiligten nach den vergangenen sechs Monaten unter straffer dänischer Regie besser wissen sollen. So knackte der dänische Verkehrsminister Flemming Hansen im buchstäblich letzten Moment die Nuss, die in Kopenhagen liegen geblieben war. Er setzte genau den Kompromiss durch, der dort schon auf dem Tisch gelegen hatte: Die Anzahl der Transitfahrten durch die Alpen wird von 2004 an nicht mehr begrenzt. Der Stickoxidausstoß von Lastern über 7,5 Tonnen, die Österreich durchqueren, darf nicht weiter steigen. Der Schadstoffausstoß von den Lkws, die nach der modernsten Umweltnorm Euro-4 gebaut sind, wird hierbei nicht mitgezählt. Das bedeutet, dass in Zukunft Länder mit schadstoffarmen Lastern Anrecht auf entsprechend mehr Transitfahrten haben.

Dass der österreichische Infrastrukturminister Mathias Reichhold am Ende der Sitzung wenig Lust auf den herumgereichten Champagner verspürte, ist nicht verwunderlich. Die vom Durchgangsverkehr gebeutelten Anwohner der Alpen können sich allenfalls damit trösten, dass die Abgasbelastung zumindest bis 2004 nicht zunehmen wird. Denn die Euro-4-Laster werden wohl erst 2005 serienreif sein.

Spätestens zum 1. Januar 2007 muss diese Übergangsregelung durch ein neues, europaweit geltendes Gebührensystem für Wegekosten ersetzt sein. Die EU-Kommission soll schon im ersten Halbjahr 2003 einen entsprechenden Entwurf vorlegen. Dafür muss sie analysieren, wie schnell die Umstellung auf Euro-4-Laster im Transitverkehr vorankommt, und auf dieser Grundlage für die Jahre 2005 und 2006 Stickstoff-Obergrenzen festlegen. So könnte 2006 die Quote auf bis zu 34,9 Prozent der Schadstoffmenge sinken, die 1991 auf den österreichischen Transitstrecken gemessen wurde.

Die Klage, die Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof führt, um eine Reduzierung des Alpentransits zu erreichen, dürfte nun hinfällig sein. Schon im Oktober hatte das Gericht in einer vorläufigen Entscheidung festgestellt, die Zählmethode, mit der Wien den Verkehr berechne, sei nicht zulässig. Der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hatte sich bis zuletzt auf eine Absprache beim Gipfel in Laeken berufen. Dort war vereinbart worden, dass das den Alpentransit regelnde Ökopunkte-System verlängert wird.

Da Griechenland sein Veto vor dem Silvestertreffen in Brüssel zurückzog – schon um das Thema nicht während des kommenden Halbjahrs unter eigener Regie weiter behandeln zu müssen – konnte der dänische Kompromiss gegen die Stimmen von Österreich, Italien, Belgien und Holland abgesegnet werden.

Die letzten drei Länder halten die Übergangsregelung für zu restriktiv. Allerdings sind sich fast alle Länder einig, dass der Alpentransit in Zukunft grundsätzlich neu geregelt werden muss. Das bestätigte auch der deutsche Staatssekretär Ralf Nagel am Rande des Treffens. Deshalb beinhaltet der dänische Kompromiss auch einen „Aktionsplan“ von Österreich, Italien und Deutschland, der den kombinierten Transport auf Straße und Schiene verbessern soll. Österreich hat sich verpflichtet, bis spätestens 2012 einen Eisenbahntunnel durch den Brenner zu bauen.