Pusterohre in allen Größen

Brummtöne und Bambusholz: Instrumente aus Australien, Bolivien und Japan gibt es in einem Neustädter Keller zu entdecken. Die meisten davon kann man hier nachbauen – und spielen lernen

Der Weg zu Michael Marahrens ist verschlungen: Die Kellertreppe eines fast unscheinbaren Wohnhauses an der Kornstraße hinunter, mit einer 180 Grad-Drehung um die Kurve, um dann vor einer Tür zu stehen, die aussieht, als läge der Heizungskeller dahinter. Statt dessen findet man hier in niedrigen Kellerräumen die Werkstatt des selfmade Flöten- und Didgeridoo-Bauers Marahrens. Teppiche und ein bullerndes Öfchen in der Ecke machen die Räume fast heimelich.

Didgeridoos sind Blasinstrumente. Je länger die hölzernen oder Bambusröhren sind, die von den australischen Aborigines stammen, desto tiefer die Brummtöne, die geübte SpielerInnen den Instrumenten entlocken können. Bei einer Kostprobe, die der Didgeridoobauer auf unterschiedlichen Rohren gibt, vibrieren die Töne irgendwo sehr tief drinnen im Magen. Wie tief drinnen hängt davon ab, ob so eine Pusteröhre achtzig Zentimeter oder bis zu zweieinhalb Meter lang ist. Für Marahrens können die Töne gar nicht tief genug klingen. „Grundsätzlich“, sagt er, sei aber „ein Rohr schon mal ein Didgeridoo“, egal, ob aus Pappe, Plastik oder Woltmershauser Eiche.

Der Mann ist kein klassisch ausgebildeter Instrumenten-Bauer, sondern gelernter Kaufmann. Vor rund 25 Jahren hat er mit großer Begeisterung für Flöten und alle „Röhren, in die man pusten kann“ angefangen, selbst Panflöten aus Bambus zu bauen. Sein Wissen stammte vor allem aus Büchern. Hätten Marahrens’ Eltern diese Entwicklung erahnt, wer weiß, ob sie ihm jemals ’El Condor pasa’ vorgespielt hätten. Denn damit fing alles an: Zu Hause bei Familie Marahrens lief viel Folkloremusik der Anden. Mit seiner ersten Bambusflöte von einer Englandreise zurück gekehrt, versuchte er die zu Hause nachzubauen. Von Anfang an hatte er ein logistisches Problem: „Südamerikanischer Bambus ist hier nicht leicht zu bekommen.“

Im Lauf der Jahre stieß er auf immer neue Flötenarten, wie etwa die peruanische Quena, die eckigen „Kriegsflöten“ Tarka und Anata, die auf die Azteken zurückgehen sollen, oder eine japanische Shakuhachi, das für den Flötenbauer „wohl geheimnisvollste“ seiner Instrumente.

Von den großen australische Röhren habe er durch eine Frau erfahren, die in seine Werkstatt kam, und ein Bambusrohr kaufen wollte, um ein, wie sie damals sagte „australisches Brummrohr“ zu bauen. Mit dieser Begegnung begann Marahrens’ Didgeridoo-Begeisterung. Die Bauweise scheint simpel: Ein Ast oder ein langes Stück Bambus wird der Länge nach aufgeschnitten, ausgehölt und von innen geölt, damit das Material keine Risse bekommt. Dann leimt er die beiden Hälften wieder zusammen und umwickelt sie schließlich mit leimgetränktem Garn. Zum Schluss pinselt er 15 bis 20 Schichten Schellack auf das Didgeridoo, fertig ist das „Blasrohr“. Die Klanghöhe ändert der Instrumentenbauer, indem er Scheibchen für Scheibchen abschneidet. Bevor Marahrens sein Material bearbeitet, muss es längere Zeit gelagert worden sein, bis es trocken genug ist. Bambus braucht ein bis drei Jahre.

Wer selbst ein Didgeridoo bauen will, ist bei Marahrens ebenfalls an der richtigen Adresse: Am Ende eines 20-Stunden-Volkshochschulkurses haben alle TeilnehmerInnen ihr eigenes Didgeridoo gebaut. Wer seinem eigenen Instrument dann auch noch Töne entlocken will, hat einen großen Vorteil gegenüber den klassisch europäischen Instrumenten: „Man muss keine Noten lesen können, um sie spielen zu lernen.“ Was man allerdings braucht, sind weiche Lippen, man ist sozusagen gezwungen, sich zu entspannen. Wenn Marahrens das Spielen unterrichtet, geht es dabei fast nie nur um die Blastechnik: „Beim Didgeridooblasen muss man sich mit seinem eigenen Atem auseinandersetzen. Und wenn sich meine Schüler bei den tiefen Tönen entspannen, können auch schon mal Emotionen hochkommen, aber das unterstütze ich“, sagt er. Das Metronom in seinem Unterrichtsraum zeigt die Bandbreite des Musikers Marahrens: „Wenn man Bach auf der Panflöte spielen will, kann das schon mal ganz hilfreich sein.“

Ulrike Bendrat