NPD in Bayern: Mal schnurren und mal hitlern

Zur Bayernwahl am 28. September tritt die NPD flächendeckend an. Ihre Funktionäre tun brav, zwischendurch wird dennoch der Nazikult gepflegt. Erklärtes Ziel ist der Sprung ins Parlament, noch wichtiger ist die Verankerung im Land

„Sie will gucken, wo sie punktet. Um dort weiterzumachen“

BERLIN taz ■ Was nützt die schönste völkische Gesinnung, wenn vor lauter Geburtenrückgang das Volk zusammenschrumpft? Das denken sich wohl Bayerns Rechtsextreme: In Sorge um die Volksgemeinschaft rufen die „Freien Nationalisten München“ dazu auf, radikale christliche Abtreibungsgegner zu unterstützen – die haben die Rechten prompt zum Gebet für mehr Geburten eingeladen.

Bevor Christen und Neonazis am 4. Oktober betend durch Münchens Innenstadt ziehen, wollen die in Kameradschaften wie den „Freien Nationalisten“ organisierten Rechtsextremen und die ihnen nahe stehende NPD gemeinsam einen Wahlkampf stemmen: Die Partei misst der Landtagswahl am 28. September höchste Priorität bei. Der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt hat Bayern zum Brückenkopf ausgerufen: Hier soll es zum ersten Mal seit den Sechzigerjahren wieder in ein westdeutsches Parlament gehen.

Dazu, da stimmen Einschätzungen von Extremismusexperten und Umfragenergebnisse überein, wird es für die NPD nicht reichen. Aber die Gefahr ist groß, dass sie sich im Freistaat weiter festsetzt. Hier hat sie ihren mit 1.100 Mitgliedern stärksten Landesverband, hier treten erstmals seit 1972 wieder in allen 91 Stimmkreisen NPDler zur Wahl an. Ein Erfolg aber ist nicht ohne die Stimmen derjenigen zu schaffen, die weder Bomberjacken noch Landser-Heftchen im Schrank haben – und so hat die NPD die bürgerlichen Themen für sich entdeckt und wettert gegen Abtreibung und gegen Auslandseinsätze der Bundeswehr, gegen Gentechnik und Globalisierung. „Die Wahlparole ‚Heimat statt Globalisierung‘ zielt auf normale Bürger, grenzt aber das radikale Lager nicht aus“, sagt Britta Schellenberg, die das Projekt „Strategien gegen den Rechtsextremismus in Europa“ an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität leitet. Ein Auftreten mit offenen Nazi-Anleihen sei für die Bayern „ein Stück zu viel“.

Beispielhaft für den Spagat seiner Partei steht der 35 Jahre alte Niederbayern-Spitzenkandidat Sascha Roßmüller. Früher war er Aktivist des Nationalen Blocks, der für seine „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ verboten wurde. Heute schnurrt er, dass er den „überlieferten Charakter und die wirtschaftlich-soziale Ausgewogenheit Bayerns“ erhalten wolle. Außerdem grillt er gerne, schaut „Herr der Ringe“ und lauscht Sonaten von Edvard Grieg, ganz der Familienvater von nebenan. Zwischen Heim- und Heimatduseligkeit fand er dennoch Zeit, auf die Beerdigung des Altnazis Friedhelm Busse im Juli in Passau zu gehen, die Aufsehen erregte. Die Trauergäste sangen ein SS-Lied, einer legte eine Hakenkreuzflagge auf den Sarg.

Der Wahlkampf gestaltet sich schwierig. Es ist nicht leicht, den großen Freistaat abzudecken, zudem fehlt vielen Kandidaten nach Schellenbergs Einschätzung die Erfahrung. Das linksradikale Bündnis „Nazis Unplugged“ berichtet, die NPD plakatiere überaus fleißig, aber auf ihren Wahlveranstaltungen seien dennoch fast ausschließlich ihre eigenen Leute anzutreffen. Weil rechte Wähler in Umfragen oft ihre Vorliebe nicht zugeben, ist das Abschneiden der NPD schwer vorherzusagen. Noch dazu ist die Lage unübersichtlich: Die CSU ist angeschlagen, präsentiert sich aber wie eh und je zum rechten Rand hin offen. So nannte CSU-Chef Erwin Huber Ende 2007 „Multikulti eine Brutstätte der Kriminalität“. Schlecht für die NPD ist es zudem, dass die Republikaner flächendeckend antreten. Dann ist da noch die Linke, gegen die sich die NPD nach Schellenbergs Beobachtungen in ihrer Globalisierungskritik abzugrenzen bemüht. Experten sehen die NPD zwischen unter 1 und bis zu 3 Prozent.

Die NPD selbst erklärt, sie wäre auch mit 2 bis 3 Prozent zufrieden, obwohl das Ziel natürlich 5 plus x sei. Die Politologin Schellenberg sieht die Wahl als Versuch der NPD, sich in Bayern zu verankern. „Sie will gucken, in welchen Gemeinden sie punkten kann. Um dann dort weiterzumachen.“ HENDRIK HEINZE