Der die Bahn in ihre Schranken verweist

Karl-Peter Naumann, Vorsitzender von Pro Bahn, kämpft gegen das neue Preissystem – den Fahrgästen zuliebe

Karl-Peter Naumann trifft Bahnchef Hartmut Mehdorn offenbar ins Mark: Der Vorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn hatte kürzlich lauthals behauptet, jeder zweite Fahrgast bezahle zu viel. Mit dem neuen Preissystem der Deutschen Bahn AG sei es reine Glückssache, die günstigste Fahrkarte zu bekommen. Mehdorn tobte, forderte Naumann auf, schriftlich zu erklären, er würde seine Vorwürfe nicht wiederholen.

Der breit gebaute Hamburger allerdings denkt gar nicht daran. Erst gestern sagte er noch einmal, Testkäufe hätten seine Krittik bestätigt. So weigert er sich schlichtweg eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Die Bahn hatte ihm eine Frist bis Donnerstag gesetzt. Doch Naumann lässt es auf einen Streit mit dem größten Verkehrskonzern Europas vor Gericht ankommen. Jetzt will die DB gegen ihn wegen unwahrer, geschäftsschädigender Behauptungen klagen.

Mit norddeutscher Gelassenheit stemmt sich da David gegen Goliath. „Mal schauen, ob ein mächtiger Konzern wirklich einen kleinen Verbraucherverband fertig machen will“, sagt Naumann. Sein Verband ist tatsächlich vergleichsweise klein, zählt rund 5.000 Mitglieder. Dennnoch ist Pro Bahn vielen in Deutschland bekannt. „Dank des regen Naumann“, sagt einer seiner Verbandskollegen.

Der 51-Jährige ist seit fünf Jahren Bundesvorsitzender – und ein alter Hase. Vor 18 Jahren ist er zu dem Verband gekommen, zwei Jahre nach der Gründung. Ihm wird nachgesagt, von der Deutschen Bahn AG genauso viel Ahnung zu haben wie Mehdorn selbst. Der Unterschied: Für Naumann ist die Bahn ein Hobby, Pro Bahn ein Ehrenamt. Der Diplomchemiker arbeitet hauptberuflich in der pharmazeutischen Industrie. Weil er selbst viel Bahn gefahren sei, habe er gemerkt, „was alles noch verbessert werden könne“. Kein „Pufferküsser“ also, wie die Bahnnostalgiker gern genannt werden. Sondern einer, dem es darum geht, mehr Leute auf die Schiene zu bringen, die Rechte der Fahrgäste zu stärken, den Bahnverkehr insgesamt zu fördern. Dafür opfere er gern im Schnitt zehn Stunden pro Woche, sagt Naumann. Für seinen größten Fall – denn das ist der Streit, den er nun mit Mehdorn ausfechten wird, sicherlich – reichen die wohl kaum.

Profilierungssucht auf Kosten der Bahn hatte ihm Mehdorn vorgeworfen. Naumann entgegnet, er habe es nicht auf den Streit angelegt. „Uns bleibt aber wohl nichts anderes übrig“, sagt er. Doch unbestritten: Dass er jetzt gegen Mehdorn antritt, bringt nicht nur seinen Verband in die Medien, sondern stärkt auch seine interne Position noch einmal. Das weiß auch Naumann: „Selbst Leute, die mir im Verband eher kritisch gegenüberstehen, haben mir gesagt, mach weiter so.“ Seine Standhaftigkeit, das wundert allerdings nicht, begrüßen nun auch die Konkurrenten der DB, beispielsweise der größte, die Connex AG.

Für mehr als ein Jahr ist Karl-Peter Naumann noch als Bundesvorsitzender von Pro Bahn gewählt. Aufhören will er danach nicht. Er sagt: „Ob ich wiedergewählt werde, hängt sicherlich davon ab, wie der Streit mit Mehdorn jetzt ausgeht.“ Er sitze in jedem Fall fest im Sattel, heißt es von außenstehenden Kennern des Fahrgastverbands.

Naumann hat trotzdem Recht: Denn verliert er gegen die Deutsche Bahn, wird sein Verband ohnehin pleite sein.

HANNA GERSMANN