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Humoriges Schlachtgebimmel

Die teuerste Produktionsschlacht der europäischen Fernsehgeschichte stand wegen der Kirch-Pleite auf der Kippe, doch die heilige Filmallianz der Öffentlich-Rechtlichen sorgte für einen späten – und gelungenen – Sieg („Napoleon“, 20.15 Uhr, ZDF)

von ARNO FRANK

Wer Aufstieg und Fall des Napoleon verfilmen will, braucht sehr, sehr viel Personal. Oder einen schönen Computer, mit dem sich Schlachtendampf und Heeresmassen ebenso simulieren lassen wie das historische Paris. „Napoleon“, der bisher teuersten Koproduktion der europäischen TV-Geschichte, stand anfangs beides zur Verfügung. Aber dann wurde das Geld dramatisch knapp, denn mittendrin verlor ein deutsches Medienfürstentum die Schlacht von Unterföhring. Doch eine öffentlich-rechtliche Internationale, angeführt vom schillernden – und nach langen Kirch-Jahren plötzlich wieder unabhängigen – Produktionsfeldherrn Jan Mojto rettete die große vierteilige Filmarmee vor dem Untergang.

Wer Aufstieg und Fall des Napoleon verfilmen will, braucht außerdem einen guten Napoleon. Regisseur Yves Simoneau besetzte die Rolle mit Christian Clavier, der dem Korsen erstens physiognomisch nahe kommt und dessen Gesicht zweitens zumindest hierzulande noch nicht „verbraucht“ ist. Eine gute Wahl – man denke nur an den Allzweckfranzosen Gérard Depardieu, der vor wenigen Tagen noch als „Graf von Monte Christo“ durchs Programm turnte und sich heute als Napoleons Polizeichef Fouché mit einer Nebenrolle begnügen muss. So blass und bespielbar Clavier als Napoleon notwendigerweise bleibt, so kräftig und prominent sind die übrigen Figuren gewählt. Als Napoleons Gattin zittert und bangt mit immergrünen Reizen: Isabella Rosselini. Als durchtriebener Außenminister Talleyrand intrigiert herrlich sparsam und daher undurchschaubar: John Malkovich, inzwischen abonniert auf Böse-Buben-Rollen in Mantel-und-Degen-Filmen. Weil bei einer solchen internationalen Koproduktion die Sender der beteiligten Länder ihre Zuschauer bei Stange halten müssen, sind – streng nach Proporz – auch Nationalhelden eingestreut. Fürs deutsche Gemüt sorgen Marie Bäumer, Marie Hörbiger, Sebastian Koch und Heino Ferch.

Wer Aufstieg und Fall Napoleons verfilmen will, begibt sich schließlich auf dünnes historisches Eis. Wer, wie Napoleon, schlechterdings überall seine Schlachten geschlagen hat, der hinterlässt eben in Frankreich, Deutschland, Tschechien, Polen oder Österreich jeweils andere Spuren. Und weil Napoleon den einen (etwa den Briten) bis heute Todfeind, den anderen (etwa Polen) noch heute Gutfreund ist, konzentrierte sich Simoneau ganz auf Bonaparte als Mann der Frauen. Also rauschen die Röcke über das Parkett der Tuillerien, lockert sich das Mieder seiner Mätressen im Kerzenschein.

Plötzlich marschiert Napoleon gar nicht nach Ägypten, um britische Handelswege abzuschneiden – sondern weil er ein Schloss für seine Frau finanzieren will. Und der Marsch auf Moskau geht nicht auf die Feindschaft mit dem Zaren, sondern auf die süßen Grübchen einer polnischen Adeligen zurück, die in einer Liebesnacht flüstert: „Befreien Sie mein Land!“.

Trotzdem gelingen immer wieder Momente und Szenen, die unsere Seherwartungen furios übertreffen und vergessen lassen, das dies Fernsehen und nicht etwa Kino ist: Wenn Napoleon das Zeremoniell seiner Krönung zunächst mit kleinen Holzfiguren plant oder das schroffe Abklappern der historischen Ereignisse immer wieder mit erzählerischer Eleganz abgefedert wird. Das ist selten im Fernsehen – erst recht bei einer solchen Kompromissproduktion, erst recht im Vergleich mit einem anderen TV-Historienspektakel, dem enttäuschend statischen „Caesar“ der ARD.

„Napoeleons“ Geheimwaffe aber sind nicht das Ensemble oder die authentisch choreografierten Massenszenen der Schlacht bei Austerlitz, ist nicht einmal die Tricktechnik. Es ist nicht einmal der Umstand allein, dass sich die Macher trotz der ausufernden Produktionsverhältnisse an Originalschauplätzen eine Liebe zum Thema bewahrt haben. Es ist das kleine Wunder, dass in diesem sperrigen Epos ein erstaunlich feiner Humor seinen Platz hat. Und der wirkt nachhaltiger als alles Schlachtengebimmel.

Weitere Folgen: 8., 11. und13. Januar, jeweils 20.15 Uhr

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