Schröder erlaubt Rau eine zweite Amtszeit

Angelika Beer widerspricht, besteht aber nicht auf einer Frau als Bundespräsidentin. Rau will sich Zeit lassen

BERLIN taz ■ Er hat schon eine ganze Menge Anlässe verstreichen lassen: seine Halbzeit 2001, die Bundestagswahl 2002 und jetzt auch noch den Jahreswechsel 2003. Johannes Rau hat es nicht eilig, den Deutschen zu sagen, ob er gern für eine zweite Amtszeit ihr Präsident sein möchte. Lieber testet er aus, was die Deutschen ihm zu sagen haben. Einer hat sich jetzt erklärt: Gerhard Schröder. Wenn Rau wolle, sagte der Bundeskanzler dem Spiegel, „gibt es keinen Grund, einem erfolgreichen Bundespräsidenten die Wiederwahl zu verwehren“.

Grünen-Chefin Angelika Beer, im selben Magazin, widersprach sofort: „Es gibt keinen Automatismus.“ Stattdessen lieferte sie einen Kriterienkatalog, der wie ein heiteres Promi-Raten anmutet: „Vielfältige Lebenserfahrung“ soll er einbringen, ein „Bruch in der Biografie“ schadet nicht, solange der Kandidat etwas jünger ist, sensibel im Umgang mit der deutschen Geschichte und internationale Erfahrung mitbringt. Offen ließ Beer, ob sie Joschka Fischer nominieren will – oder nur findet, jeder Bundespräsident sollte wie Joschka Fischer sein.

Jedenfalls will Beer über ihren Katalog sogar das Lieblingsprojekt der linksliberalen Society hintanstellen: auf Rau folgt Frau. Wichtiger als das Geschlecht ist ihr „eine gesellschaftliche Diskussion über geeignete Kandidaten“. Rau selbst hat sich an der Diskussion mit dem Satz beteiligt, das Amt mache ihm Freude. Zu einer neuen Kandidatur will er sich „rechtzeitig äußern“, wie er der Welt am Sonntag anvertraute. Im Klartext hält er sich damit alle Optionen offen – die Wahl steht schließlich erst im Mai 2004 an.

Schröders Unterstützung für den SPD-Veteranen dürfte weniger persönlicher Verbundenheit geschuldet sein als taktischem Kalkül. In der Bundesversammlung haben bisher weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb eine eigenständige Mehrheit. Sollten die Landtagswahlen in Hessen, Niedersachsen, Bremen und Bayern erwartungsgemäß keine nennenswerte Verschiebung zugunsten von Rot-Grün erbringen, bräuchte ein SPD-Kandidat die Unterstützung anderer Parteien. Damit könnte der SPD-Vorsitzende Schröder vor einer simplen Abwägung stehen: Rau oder gar kein Sozi in Bellevue.

Einem amtierenden Bundespräsidenten die Wiederwahl zu verwehren, dürfte Union und FDP schwer fallen. Für einen neuen Anwärter aus dem rot-grünen Lager blieben dagegen nur die PDS-Vertreter als potenzielle Unterstützer. Bisher lehnte es Schröder stets ab, sich im Bund auf die PDS zu stützen.

Ganz ausgeschlossen ist aber auch ein Verzicht des 71-jährigen Rau nicht. Für die Zukunft empfiehlt er nämlich, eine Wiederwahl des Präsidenten auszuschließen – allerdings bei Verlängerung der Amtszeit auf sieben Jahre. PATRIK SCHWARZ