Merkel und Stoiber scheuen das Ja zum Krieg

In der Irakfrage ist die Union viel näher an der Bundesregierung, als sie zugibt. Gerade bei ihren Wählern aus der Kriegsgeneration ist eine Art Erinnerungspazifismus ausgeprägt: Die Erfahrung hinterließ eine Kriegsangst, die eher psychologisch als politisch motiviert ist

BERLIN taz ■ Sind CDU und CSU eigentlich für einen Irakkrieg? Die Frage könnte einfacher nicht sein, trotzdem sind die führenden Köpfe der Opposition bisher eine Antwort schuldig geblieben. Obwohl sich Stoiber, Merkel, Glos und Schäuble seit Wochen immer wieder in Reden und Interviews äußern, haben sie bisher nicht zu einem klaren Ja oder Nein gefunden. So sehr das rot-grüne Regierungstandem Schröder/Fischer derzeit in der Irakpolitik schlingert, so gewunden ist der Kurs der Opposition.

Stärker als Unionspolitiker öffentlich zugeben, stecken sie in ähnlichen Zwängen wie Sozialdemokraten und Grüne. Auch in den Reihen von CDU und CSU sind unter den einfachen Mitgliedern die Gegner eines Krieges in der Überzahl. Insbesondere bei den Wählern aus der Kriegsgeneration, die immer noch in größerer Zahl Union wählen, ist eine Art Erinnerungspazifismus stark ausgeprägt: die biografische Erfahrung hinterließ eine Kriegsangst, die eher psychologisch als politisch motiviert ist. So wissen viele CDU-Abgeordnete von besorgten Bürgeranfragen in ihren Wahlkreisen zu berichten, und so manchem Abgeordneten hat schon die eigene Mutter ins Gewissen geredet.

Bei den Landtagswahlen am 2. Februar in Hessen und Niedersachsen könnten solche Stimmungen Wahlentscheidungen beeinflussen. In der Folge vermeiden Unionsgrößen allzu martialische Bekenntnisse zum Kriegskurs von US-Präsident George W. Bush. Symptomatisch sind Aussagen wie die von CSU-Landesgruppenchef Michael Glos am Wochenende: „Da die rot-grüne Bundesregierung die jüngste Entschließung des UN-Sicherheitsrats zur Irakfrage begrüßt hat, muss sie auch zu möglichen ernsten Konsequenzen dieses Beschlusses stehen.“ Über die Haltung der Union ist damit noch nichts gesagt. CDU-Partei- und Fraktionschefin Angela Merkel wirft zwar im Verein mit CSU-Chef Edmund Stoiber der Bundesregierung den Bruch ihres Wahlversprechens vor, Deutschland aus einem Irakkrieg herauszuhalten. Trotzdem vermeiden beide Politiker Festlegungen, wie sich unter einer unionsgeführten Bundesregierung die Unterstützung Deutschlands für die USA unterscheiden würde.

Entsprechend übt Merkel sich derzeit in Formulierungen, die so weitmaschig sind, dass sie denen von Bundeskanzler Schröder in nichts nachstehen. In einem Neujahrsbrief an die Abgeordneten ihrer Fraktion schrieb die Vorsitzende, für die Union gebe es „kein Wanken bei der Unterstützung aller völkerrechtlich akzeptablen Maßnahmen gegen die große Bedrohung, die von Saddam Hussein und seinen Massenvernichtungswaffen ausgeht“. Welche Maßnahmen Merkel für „völkerrechtlich akzeptabel“ hält, ließ sie dabei ebenso offen wie die Frage, ob sie bei der zugesagten „Unterstützung“ an diplomatische oder militärische Hilfestellung denkt.

Allen Bemühungen zum Trotz konnten sich CDU und CSU somit noch nicht aus dem Dilemma befreien, das sie bereits im Bundestagswahlkampf plagte: hier ihre Tradition als Bannerträger der deutsch-amerikanischen Freundschaft, dort die Volksmeinung. Im Ergebnis bewegte sich Kanzlerkandidat Stoiber seinerzeit kaum aus Schröders Windschatten. Im Wahlkampfteam führte das zu beträchtlichen Auseinandersetzungen. Wolfgang Schäuble, Frontmann für Außenpolitik, trat wiederholt für ein klareres Bekenntnis zur Solidarität mit den USA ein, konnte sich aber nur phasenweise durchsetzen. Stoibers Statthalter in Berlin, Michael Glos, überraschte im Sommer gar mit einer Kopie der Schröder-Aussage zu einem Krieg im Nahen Osten: „Nach dem derzeitigen Kenntnisstand wäre das ein Abenteuer, an dem wir uns nicht beteiligen wollen.“

PATRIK SCHWARZ