„Die CSU will zurück in die 50er-Jahre“

Mutti bleibt zu Hause, Vati arbeitet – so hätte es die CSU gerne, sagt Adelheid Rupp, Vizechefin der SPD in Bayern. Für die Landesregierung sei Frauenpolitik ein Fremdwort. So gebe es etwa nur für ein Viertel der unter dreijährigen Kinder Kitaplätze

ADELHEID RUPP, 50, sitzt für die SPD im bayerischen Landtag. Einer ihrer Schwerpunkte ist Frauenpolitik.

INTERVIEW BARBARA STREIDL

taz: Frau Rupp, wie frauenfreundlich ist Bayern?

Adelheid Rupp: Es gibt keine Frauenpolitik der CSU-Regierung in Bayern. Es gibt nicht den Wunsch nach einer Verbesserung des Gleichstellungsgesetzes. Es gibt keine Forderung nach einem Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft.

Etwas konkreter, bitte.

Hört man Sozialministerin Christa Stewens zu, die sagt, es gebe die klassische Familienkonstellation, außerdem Patchwork-Familien und Frauen, die keinen gefunden haben, dann drückt das aus: Frauen haben nur eine Existenzberechtigung, wenn sie eine Familie haben.

Wo muss Bayern im Vergleich mit anderen Ländern aufholen?

Gerade in Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben besteht in Bayern noch ein großer Nachholbedarf. Ein Beispiel: Bei den Einkommen unter 1.000 Euro liegt der Frauenanteil in Bayern bei 75 Prozent. Ein finanziell unabhängiges Leben können Frauen damit kaum führen. Die CSU interessiert dies jedoch nicht.

Nun ja: Sie will das Kindergeld erhöhen und so Erziehungsleistungen besser anerkennen.

Aber in ihrem Regierungsprogramm wird die erwerbstätige Frau nicht erwähnt. Stattdessen stellt sich die CSU gegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Dieser würde gerade erwerbstätigen Frauen zugutekommen. Auch in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stehen wir ganz schlecht da, weil es in Bayern nach wie vor viel zu wenige Kinderbetreuungseinrichtungen gibt.

Inwiefern?

In Bayern gibt es gerade mal für 25 Prozent der unter Dreijährigen eine Betreuungsmöglichkeit. Zudem konzentrieren sich diese Angebote extrem auf die Großstädte wie München. Die Bundesvorgabe von 35 Prozent ist daher längst nicht erreicht.

Ist denn im Bewusstsein der bayerischen Bevölkerung der Wunsch nach Gleichberechtigung angekommen?

Das will die CSU: „Vorfahrt für Kinder“, heißt es im Programm der Regierungspartei. Die CSU setzt sich für eine Erhöhung des Kindergelds, des Kinderfreibetrags und die Einführung eines Betreuungsgelds ein. Zudem will sie „ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot“ für Kinder von 2 bis 14 Jahren bereitstellen. Dazu gehörten etwa die Betreuung in Kleingruppen und mittelfristig ein kostenfreies Kindergartenjahr.

Das will die SPD: Die SPD widmet der Gleichstellung der Frauen ein eigenes Kapitel im Programm. Neben Forderungen der Bundespartei, etwa nach einem gesetzlichen Mindestlohn, will die Bayern-SPD den öffentlichen Dienst zum „Vorreiter einer diskriminierungsfreien Personalentwicklung“ machen. Zusammen mit den Kommunen möchte sie ferner eine flächendeckende Kinderbetreuung finanzieren. TAZ

In der Realität von Familien, besonders jüngeren Familien, gibt es ganz starke Veränderungen, allein durch die Tatsache, dass Frauen immer mehr berufstätig und immer besser ausgebildet sind. Dabei hält die CSU aber nicht mit. Eigentlich merkt man bei allem, was frauenpolitisch geäußert wird, den Wunsch nach den Fünfzigerjahren, wo alles schön und klar war: Mutti bleibt zu Hause und versorgt die Kinder, Vati geht arbeiten.

Würde eine Quotenregelung in der Privatwirtschaft helfen?

Wo wir dringend eine Quote brauchen, ist der Hochschulbereich. Da müsste man ein Kaskadenmodell einführen: Gibt es heute 50 Prozent Studentinnen, dann müssen es künftig auch 50 Prozent wissenschaftliche Mitarbeiterinnen sein; gibt es heute 20 Prozent wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, müssen es künftig auch 20 Prozent Professorinnen sein. Hat man ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft, soll bei gleicher Qualifizierung selbstverständlich die Bewerberin genommen werden. Bei uns sind allerdings weniger die Beschäftigtenzahlen das Problem, sondern die Führungspositionen. Da sieht es nach wie vor katastrophal aus.

Wie geht es alten Frauen derzeit in Bayern?

Besonders in den Randgebieten geht es alten Frauen sehr schlecht. Die Durchschnittsrenten sind sehr niedrig, teilweise sind es nur 350 Euro pro Monat. Insgesamt liegt der Schnitt bei 480 Euro pro Monat in ganz Bayern. Männer haben im Schnitt 300 Euro mehr.