Mutig wie ein Löwe

Nurico Blaue ist erst 14, aber sie macht etwas, was eigentlich nur Managern vorbehalten ist: einen (Kinder-) Coaching-Kurs. Da seilen sich die Kinder von einem Berg ab oder schlagen ein Brett mit der bloßen Hand durch. Der Mut, „Ich hab‘ Angst“ zu sagen, gehört aber genauso dazu

Ist es das Ei des Kolumbus, um Kinder auf dem holprigen Weg zum Erwachsenwerden zu unterstützen? Oder ist es nur eine weitere Möglichkeit, gutgläubigen, von Motivationsgurus geblendeten Eltern das Geld aus der Tasche zu ziehen? Eine Bielefelder Coaching-Agentur bietet seit einiger Zeit Coaching-Kurse für Kinder von neun bis 13 Jahren an. Nurico Blaue aus Bremen ist 14 und hat schon zweimal an so einem Wochenende teilgenommen – das zweite Mal sogar als Assistentin.taz: Was macht man denn so beim Kindercoaching?

Nurico Blaue: Wir haben ziemliche viele Übungen gemacht. Das Ziel ist, dass solch blöde Gedanken weggehen, wie: Ich kann das nicht oder ich bin zu blöd dazu. Viele haben Ziele und verwerfen die dann wieder, weil sie sowas denken. Da haben wir viel drüber geredet. Auch über unsere Probleme. Und dann haben wir drüber geredet, dass man solche Gedanken nicht braucht.

Was sind das für Übungen?

Es gibt da ganz unterschiedliche. Eine Übung war, dass man sich an eine bestimmte Situation erinnert, an der man sich nicht gut gefühlt hat. Dazu sollten wir uns ein Tier ausdenken, das zu der Situation gepasst hat. Und dann konnten wir uns hinterher überlegen, welches Tier man lieber gewesen wäre. Also, viele wollten lieber so mutig wie ein Löwe sein als zum Beispiel ein kleiner, armer Wurm. So in der Art. Dann gibt es noch Übungen, die wir untereinander gemacht haben. Da ging es darum, wie man reagiert, wenn man beschimpft wird – von Älteren oder so.

Und wie reagiert man da?

Wenn die Schimpfwörter benutzen, darf man sich nicht davon ärgern lassen, sondern lieber was Schlaues zurücksagen. Damit rechnen die nicht.

Hast du nach dem Kurs schon mal so eine Situation gehabt und dich dann anders verhalten als vorher?

Naja, ist schon mal vorgekommen, dass mich jemand geärgert hatte. In der Schule. Da hab ich dann versucht, mich nicht so gekränkt zu fühlen. Ich versuche so etwas zu ignorieren. Wenn jemand kommt und sagt: Du bist eine blöde Kuh oder sowas, ist es eigentlich ganz einfach: Ich weiß ja, dass ich keine Kuh bin. Und blöd bin ich auch nicht. Also eigentlich kein Problem.

Mit welchem Gefühl bist du nach den zweieinhalb Tagen Coaching aus dem Kurs rausgegangen?

Das war einfach ein tolles Gefühl, weil mir halt hinterher bewußter war, dass man selber an seinen Problemen was ändern kann. Ich denke nicht mehr, ich bin für dies oder das zu klein oder zu schwach.

Das hört sich fast so an, wie die Coaching-Kurse bei den Erwachsenen.

Genau, das ist schon sehr ähnlich.

Hast du etwa auch ein Brett mit der Handkante durchgehauen?

Ja, klar. Das war auch klasse. Ich hab‘s mir aber vorher auch nicht zugetraut, obwohl ich gehört hatte, dass es geht.

Kannst du mir erklären, wie man das macht?

Man muss einfach dran glauben. Der Trick ist, sich vorher das Gefühl vorzustellen, wenn man es geschafft hat. Dann klappt das auch.

Und es ist auch wahr, dass ihr euch von einem Berg abseilen solltet?

Ja, das ist auch toll. Wenn man es geschafft hat, dann hat man auch vor so etwas Großem keine Angst mehr.

Machen da alle mit?

Fast alle. Einige trauen sich doch nicht. Aber die helfen dann den Anderen. Die Coacherin sagt dazu, dass es auch schon ganz schön mutig ist, „nein, ich hab Angst“ zu sagen. Das finde ich auch.

Wie ist die Atmosphäre unter den ganzen Kindern? Die meisten kennen sich ja nicht, oder?

Stimmt, aber es ist jedes Mal so, dass sich alle gut verstehen. Ich glaube, das liegt wohl daran, dass alle im gleichen Boot sitzen. Die erleben auch alle das Gleiche.

Hatten auch einige ein bisschen Angst vor dem Kurs?

Haben viele. Man weiß halt nicht, was einen erwartet. Die fragen sich, ist das eine Art Therapie oder wollen die Eltern, dass man sich verändert. Aber sobald es angefangen hat, sind alle gut drauf.

Ist es denn eine Art Therapie, die ihr machen müßt, weil die Eltern wollen, dass ihr euch verändert?

Nein, ich glaube, die meisten Eltern wollen, dass man etwas Tolles erlebt. Und dann sollen wir auch lernen, unsere Ziele zu verwirklichen. Aber als Therapie würde ich das nicht sehen, eher als Ermutigung.

Aber es sind schon die Eltern, die euch dazu gebracht haben?

Ja, es wird auch erwartet, dass schon mal ein Elternteil so ein Training gemacht hat. Die können es dann besser einschätzen, wenn die Kinder davon zu Hause erzählen.

Du gehst in die achte Klasse. Was sagen deine MitschülerInnen dazu?

Viele konnten damit nichts anfangen. Eigentlich wollte ich gleich alle überzeugen und ein paar fanden‘s auch sehr interessant. Beim zweiten Mal hat meine Freundin auch mitgemacht.

Fragen: Ole Rosenbohm