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Kindergarten: wählen – und hoffen

Kitas sollen Wahlkampfthema werden, fordern Elternvertreter und Sozialressort. Ziel: Mehr Geld für bessere Betreuung. Eltern wollen, dass die Kindergärten auch in den Ferien geöffnet sind; Staatsrat will prüfen. Anmeldestart fürs Kita-Jahr 2003/04

Flexiblere und längere Öffnungszeiten, Betreuung auch für Kinder unter drei Jahren, mehr Förderangebote schon im Vorschulalter – für die Verbesserung des Kita-Angebotes in Bremen fehlte bisher vor allem das Geld. Elterninitiativen und Sozialressort setzen jetzt gleichermaßen auf den Bürgerschafts-Wahlkampf. „Die Kandidaten müssen öffentlich darlegen, wie sie die Situation in den Kitas verbessern wollen“, fordert etwa Stefan Kunold von der Elterninitiative „Es wird Zeit – wir wählen“, in der sich verschiedene Elternvertreter zusammengeschlossen haben. Sozialstaatsrat Arnold Knigge, der gestern das Anmeldeverfahren für das Kita-Jahr 2003/04 vorstellte, stieß ins gleiche Horn: „Ich hoffe, dass die Kitas zum Wahlkampfthema werden.“

Aufgeschreckt durch die Pisa-Studie will das Sozialressort im Februar alle Fünfjährigen einem „Sprachkompetenz-Test“ unterziehen. Aufbauend auf diesen Ergebnissen soll der nachfolgende Jahrgang dann ab Herbst von 75 eigens geschulten ErzieherInnen Sprachförderung erhalten.

Eine „Bildungsoffensive“ kündigte auch der Landesverband Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e.V. an. ErzieherInnen sollen in Pilotprojekten lernen, wie die Sprachentwicklung und die Bewegungsfähigkeit sowie das musikalische und naturwissenschaftliche Verständnis von Kindern gefördert werden kann. Außerdem wolle man in vier Kindergärten eine Erziehungsberatung anbieten, sagte Landesverband-Leiterin Ilse Wehrmann.

Nach Angaben des Amtes für Soziale Dienste werden in Bremen dieses Jahr 4.775 Kinder drei Jahre alt – etwa so viele wie im letzten Jahr. Sie alle bekommen in den nächsten Tagen einen „Kindergarten-Pass“ zugeschickt. Ab nächster Woche können die Eltern ihr Kind damit für das im August beginnende Kita-Jahr 2003/04 anmelden. Der Pass soll verhindern, dass sie ihre Kinder bei mehreren Kindergärten gleichzeitig anmelden und so innerhalb der Behörde für Chaos sorgen. Staatsrat Knigge ist vom Erfolg des Plastikkärtchens überzeugt: Im letzten Jahr sei die Zahl der Doppelanmeldungen so von zuvor rund 600 auf etwa 170 gesunken.

Auf dem Anmeldebogen haben die Eltern nicht nur die freie Wahl, in welcher der 270 Kitas in Bremen sie ihr Kind anmelden, sondern auch, ob es vier, sechs oder acht Stunden täglich betreut werden soll. Ein Rechtsanspruch besteht allerdings nur auf eine Halbtags-Betreuung irgendwo in Bremen. Zum ersten Mal sollen in diesem Jahr nicht mehr das Amt für Soziale Dienste, sondern die ihm untergeordneten und über die Stadt verteilten Sozialzentren für eine gleichmäßige Auslastung der einzelnen Kitas in ihrem Bereich sorgen.

Wie viele Kinder im letzten Jahr tatsächlich in der gewünschten Einrichtung unterkamen, konnte Knigge gestern nicht sagen. Den Wunsch nach vier-, sechs- oder achtstündiger Betreuung jedoch habe man in neun von zehn Fällen erfüllen können.

Elternsprecher Stefan Kunold hält diese Angaben indes für geschönt. „Viele Kindergärten raten etwa Eltern, die nicht berufstätig sind, gleich davon ab, eine Ganztagsbetreuung für ihr Kind zu beantragen – sie hätten sowieso keine Chance“, sagt er.

Kunolds größtes Anliegen ist, dass die Kindergärten auch in den Ferien regulär geöffnet haben. Im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern haben die Bremer Kitas nämlich acht Wochen im Jahr geschlossen; lediglich für die Kinder berufstätiger Eltern gibt es eine Art „Notdienst“. Staatsrat Knigge schätzt, dass maximal zwei Drittel der Eltern eine Betreuung während der Ferien wünschten. Genauere Erkenntnisse darüber soll eine repräsentative Befragung ergeben, deren Ergebnisse im Februar vorlägen. Dann, so deutet er an, könnte auch die Behörde die Ferien-Regelung überdenken.

Armin Simon

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