Kinderzimmer kann Studenten teuer kommen

Ein Urteil verdonnert Studierende vielerorts zur Zweitwohnsteuer, auch wenn ihr Erstwohnsitz bei Mama und Papa ist

BERLIN taz ■ Tausende deutsche Studenten müssen auch künftig auf ihre Buden Zweitwohnsteuer bezahlen, wenn sie ihren Erstwohnsitz bei ihren Eltern haben. Das folgt aus einem Grundsatzurteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichtes vom Mittwoch. Demnach gestattet es das Bundesrecht den Kommunen, sich entsprechende Satzungen zu geben und bei den Studenten zu kassieren. Wenn Gemeinden aber studentenfreundlichere Regelungen haben, ist das nach dem Urteil ebenfalls rechtens.

Das Gericht argumentierte, eine weitere Wohnung neben der Hauptwohnung bringe „in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck“ – selbst wenn es sich wie bei den vier klagenden Studenten aus Rostock und Wuppertal um eine Kombination aus Kinderzimmer und Studentenbude handelt. Die Zweitwohnsteuer ist eine Steuer auf diese Leistungsfähigkeit. Daher dürfen die Kommunen die Steuer bei Studis eintreiben, und zwar unabhängig davon, wie viel Geld diese wirklich haben.

Der Anwalt der Rostocker Studenten, Henning Riedel, hatte argumentiert, ein Kinderzimmer sei kein richtiger Erstwohnsitz: Die Studenten könnten nicht wie andere Eigentümer oder Mieter frei über die Wohnung verfügen. Das hielten die Richter aber für unwesentlich.

Die vier Kläger hatten vor untergeordneten Gerichten gegen ihre Kommunen prozessiert und gewonnen. Dagegen hatten Rostock und Wuppertal Revision eingelegt, sodass es zur Verhandlung am höchsten deutschen Verwaltungsgericht kam. Die haben die drei Rostocker genau genommen sogar gewonnen – denn ihre Stadt legt fest, dass nur diejenigen die Steuer bezahlen müssen, die über ihren Erstwohnsitz voll verfügen. Durch das Leipziger Urteil aber kann Rostock nun seine Regeln ändern und auch Studenten die Zweitwohnungssteuer abknöpfen.

Für tausende Studenten bedeutet das Urteil, dass sie ihrer Unistadt weiterhin einige hundert Euro jährlich entrichten müssen. Viele Kommunen, darunter auch Rostock und Wuppertal, verlangen als Zweitwohnsteuer 10 Prozent der Jahreskaltmiete, bei monatlich 250 Euro kalt also 300 Euro im Jahr.

Mit der Steuer wollen viele Unistädte die Studenten dazu bringen, ihren Erstwohnsitz am Studienort anzumelden. Weil Kommunen je nach Einwohnerzahl Geld vom Land erhalten, profitieren sie von den Anmeldungen mitunter mehr als von der Steuer selbst.

Viele Gemeinden fahren eine Doppelstrategie und belegen Zweitwohnungen mit der Steuer, belohnen aber die Ummeldung zum Erstwohnsitz mit Geld und Gutscheinen.

Für den Erstwohnsitz im Kinderzimmer haben viele Studenten gute Gründe, etwa wenn sie in der Heimat zur Wahl gehen wollen. Auch in Versicherungs- und Steuerfragen kann ein Erstwohnsitz bei Mami und Papi Vorteile haben. Grundsätzlich aber muss jeder Bürger seinen Hauptwohnsitz dort anmelden, wo er seinen Lebensmittelpunkt hat. (Aktenzeichen: BVerwG 9 C 13. 07, 9 C 14.07, 9 C 15.07, 9 C 17. 07)

HENDRIK HEINZE