Die 600-Milliarden-Dollar-Spritze

US-Präsident Bush startet Konjunkturprogramm. Kern ist die Streichung der Dividendensteuer. Zur Finanzierung will er bei Umwelt und Bildung sparen – und hofft auf mehr Wachstum. Opposition kritisiert, geholfen würde vor allem den Reichen

von KATHARINA KOUFEN

Die amerikanische Wirtschaft hat sich seit dem 11. September 2001 nicht wieder erholt und der nächste Wahlkampf schickt bereits seine Vorboten. Gestern hat US-Präsident George W. Bush ein Entlastungsprogramm vorgestellt, das der Konjunktur auf die Beine helfen soll, und zwar möglichst noch vor der Wahl 2004. „Was ich vorhabe, ist ein sehr gerechter Plan“, so Bush gestern in Washington. Bush will in den nächsten 10 Jahren Steuern in Höhe von 600 Milliarden Dollar streichen. Nach Angaben des Weißen Hauses würden davon allein in diesem Jahr 92 Millionen Steuerzahler mit einer durchschnittlichen Entlastung von gut 1.000 Dollar profitieren.

So soll die Einkommensteuer nun schon 2004 und nicht erst 2006 gesenkt werden. Der Kinderfreibetrag soll steigen, Hilfe für Arbeitslose länger gezahlt werden. Außerdem will Bush mit „Schecks für Arbeit“ die grassierende Arbeitslosigkeit bekämpfen. Mit den Gutscheinen bis zu 3.000 Dollar sollen Arbeitslose während der Jobsuche Schulungen, Kinderbetreuung und Transportkosten finanzieren können. Den Bundesstaaten will Bush hierfür 3,6 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen.

Eine viel größere Entlastung, nämlich 300 Milliarden Dollar, soll die Abschaffung der Dividendensteuer bringen. Ausschüttungen aus Aktiengewinnen mussten bisher mit dem gleichen Satz wie das Einkommen versteuert werden. In den USA besitzen mehr als die Hälfte der Menschen Aktien.

Die Demokraten werfen Bush vor, dass seine Vorschläge nur den Reichen zugute kämen und außerdem zu teuer seien. Zur Finanzierung will Bush eine Reihe von Programmen einfrieren, die unter Clinton ausgeweitet wurden. Dazu gehören die Bereiche Bildung, Gesundheitsforschung und Umwelt. Darüber hinaus hofft der Präsident auf die anziehende Konjunktur. Bei der Berechnung des Steuervolumens für die nächsten zehn Jahre gehen die Experten von optimistischen drei Prozent Wachstum jährlich aus.

Dabei ist ungewiss, ob die leichte Konjunkturerholung der letzten Monate von Dauer ist. Nach Jahren der Überschüsse unter Bill Clinton verzeichnet das Budget unter Bush wieder ein Defizit – eine Folge nicht nur der schwachen Wirtschaft und der Kosten für die Terrorbekämpfung, sondern auch von Bushs Steuersenkungspolitik.

Am Montag stellten die Demokraten daher einen Gegenvorschlag vor, der nur 136 Milliarden Dollar kosten würde. Sie plädieren für kurzfristigere Maßnahmen, die den öffentlichen Haushalt langfristig weniger stark belasten und sozial ausgewogener sind. Familien und kleine Unternehmen sollen stärker entlastet werden, Arbeitslose länger als bisher Unterstützung vom Staat erhalten. Bundesstaaten mit Finanzproblemen soll die Regierung in Washington unter die Arme greifen.

Allerdings werden die Demokraten kaum Chancen haben, ihren Plan durchzusetzen. In beiden Häusern des Kongress haben die Republikaner die Mehrheit.

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