Amerikas meistgesuchter Ökoterrorist

Erst Aushängeschild, dann Verdächtigter: Michael Scarpitti will Bäume retten und flieht vor zehn Jahren Knast

CORVALLIS taz ■ Michael James Scarpitti war das, was man in seinem Geburtsort Jensen Beach, Florida, wahrscheinlich den perfekten Sohn nennt: bei Lehrern und Mitschülern beliebt, sport- und musikbegeistert, kinderlieb und engagiert. Das war vor vielen Jahren. Heute nennt sich der 28-Jährige nur noch Tre Arrow, wird vom FBI mit einer Belohnung von 25.000 Dollar gesucht und ist laut dem Magazin Rolling Stone „America’s most wanted eco-terrorist“.

Erst im Juni 2000 war Michael Scarpitti bekannt geworden, weil er an der Gebäudemauer der staatlichen Forstbehörden in Portland im nordwestlichen US-Bundesstaat Oregon hochgeklettert war und elf Tage auf einem schmalen Fenstersims ausgeharrt hatte, um gegen deren Abholzungspolitik zu protestieren. Dank der landesweiten Berichterstattung wurde er so zum prominentesten Aushängeschild der Cascadia Forest Alliance, einer Umweltgruppe, die sich gegen die großflächige und profitorientierte Abholzung ganzer Waldstriche im Nordwesten der USA wehrt.

Und die spektakuläre Aktion hatte Erfolg: Erneute Blockadeaktionen machten es Holzfirmen in Oregon unmöglich, mit dem Fällen der zum Teil jahrhundertealten Bäume zu beginnen, sie wurden öffentlich bekannt und von der Bevölkerung wohlwollend verfolgt. Politiker und Abgeordnete des Staates Oregon setzten sich für das Anliegen der Cascadia Forest Alliance ein, und selbst Al Gore – damals im Wahlkampf um das Präsidentenamt – versprach, „ein Präsident zu sein, der die alten Wälder schützen wird“.

„Gewäsch – eine glatte Lüge“, kommentierte damals Michael Scarpitti, inzwischen überzeugter Veganer und schon bekannt als Tre Arrow. Sein Glaube an den legalen Protest wurde immer geringer. Bei einer Baumbesetzungsaktion brachten ihn die Behörden in Lebensgefahr, indem sie so lange die Äste unterhalb Arrows absägten, bis er schließlich erschöpft aus fast 30 Meter Höhe herabstürzte. „Das hat ihn zerstört, physisch und mental“, sagt seine Schwester Shawna dazu. Sein Vertrauen in die staatlichen Behörden sei komplett verschwunden.

Seit August 2002 sucht das FBI nach dem flüchtigen Umweltkämpfer, der an mindestens zwei Brandanschlägen auf Lkws von Holzfirmen und eine staatliche Forschungseinrichtung beteiligt gewesen sein soll. Darüber hinaus soll er inzwischen Mitglied der radikalen Umweltorganisation Earth Liberation Front (www.earthliberationfront.com) sein, die sich offen zur Gewalt als Mittel zum Zweck bekennt und für mehrere hundert Anschläge in den letzten Jahren verantwortlich gemacht wird. Dabei entstand ein Sachschaden von rund 50 Millionen Dollar.

Mehr als zehn Jahre Haft drohen Arrow, sollte er gefunden und verurteilt werden. Seit Dezember steht er auf der Liste der meistgesuchten Personen in den USA. Denn für die US-Regierung gilt der so genannte Ökoterrorismus als die „größte innenpolitische Gefahr“. Rodney Coronado, seit den 80er-Jahren aktiver amerikanischer Umweltschützer und selbst wegen Sachbeschädigung verurteilt, sieht nur einen positiven Aspekt in der Geschichte von Tre Arrow: „Die Atmosphäre nach dem 11. September hat uns in den Augen unserer Gegner endlich zu der Widerstandsbewegung gemacht, die wir seit Jahren sein wollten.“

SUSANNE AMMAN