jugend liest
: Wolfgang Hohlbein, King of Auflage

Hin und wieder kommt es vor, dass ich im Gras liege, in den Himmel schaue und aufzähle, welche Bücher ich alle noch nicht gelesen habe. Ich liege dann da, blicke hoch und denke: ganz schön groß so ein Himmel, unendlich irgendwie, obwohl man die Unendlichkeit ja nicht wirklich sieht, sondern nur von ihr weiß. Und während ich so daliege und Autorennamen wie Oliver Kahn und Titel wie „Ich bin dann mal weg“ durch meinen Kopf schwirren, frage ich mich, welche Unendlichkeit nun mehr zählt, die blaue da oben oder die gedankliche da unten. Das ist dann der Punkt, an dem ich beschließe, ein Buch zu lesen. Es ist nämlich so, dass ich zwar dauernd irgendetwas lese, es aber trotzdem jede Menge Bücher und Autoren gibt, die anscheinend alle kennen, nur ich nicht.

Und so kam es, dass ich mir den neuen Wolfgang Hohlbein griff. Ich konnte zwar bislang mit Fantasy nichts anfangen, aber ich dachte mir: Was so viele Leute gut finden, das kann nicht ganz schlecht sein. Schließlich ist Hohlbein der deutsche King of Auflage, mehr als 35 Millionen weltweit, an die 200 Romane, und „Kult“, wie andere Rezensenten versichern.

Also habe ich „WASP“ gelesen. Das hat ziemlich lange gedauert. „WASP“ hat über 900 Seiten, und ich habe die Angewohnheit, Bücher, die ich bespreche, tatsächlich von vorne bis hinten durchzulesen. Selten ist es mir so schwergefallen. 900 Seiten immer stur geradeaus erzählt, ohne Rückblenden, ohne Ungleichzeitigkeiten, größere Orts- und Perspektivwechsel, ohne nennenswerte charakterliche Entwicklungen, immer brav einen Fuß vor den anderen setzend, dafür aber jede Menge Stunts und Pengs und Puffs. Ich habe mich verloren gefühlt wie ein Outcast, der die Sprache der Ingroup nicht versteht und sich deshalb nicht nur blöd vorkommt, sondern in seiner Einsamkeit auch furchtbar langweilt.

„WASP“ ist eine Mischung aus adoleszenter Allmachtsfantasie und religiös verkitschtem Umweltdrama. Alles beginnt mit einem Kornkreis, in dessen mysteriösem Kraftfeld („etwas Großes, unvorstellbar Mächtiges und Altes“) ein Hubschrauber havariert. Es gibt eine unerklärliche Wespen- und Bienenplage, eine krude Vulkantheorie, eine Ölbohrfirma unter dem Verdacht, mit Killerinsekten zu experimentieren. Dann sind da der junge Wayne, Volontär bei der Inselzeitung, und Patricia, eine jugendliche Umweltaktivistin mit übersinnlichen Fähigkeiten und bemerkenswert draufgängerisch auf dem Quad, einem vierrädrigen, geländegängigen Motorrad. Drum herum drapiert sind der hysterische Kopf einer Umweltorganisation, ein Ekel von Lokalzeitungschefredakteur, ein Ökobauer und Aufsichtsrat, Waynes Mutter und Patricias Vater. Ein recht übersichtliches Personal also, das sich nur schwer in Gut und Böse einteilen lässt und immer wieder die Rollen des bad und good guy tauscht – aber muss man den Autor dafür schon loben? Erst gegeneinander, später, unter Lebensgefahr, miteinander versuchen sie das Rätsel um die tödliche Insektenplage und das Kornfeld zu lösen. Und je näher sie der Wahrheit kommen, desto deutlicher zeichnet sich die Moral von der Geschicht’ ab: Es ist nämlich die von Menschen misshandelte Erde, die sich in Form von Insektenschwärmen und Beben wehrt. Und Patricia wird zur Retterin, weil sie die Sprache der Bienen versteht.

Was mich richtig geärgert hat, ist Hohlbeins Luschigkeit. Hohlbein ist schlampig, ein literarischer Wiederkäuer, der seine Worte schnell raushaut und gut ist. Was fehlt, ist die Arbeit am Text. Das gilt für die Bauart genauso wie für die Sprache, die leger und witzig sein will und sich dann in Bildern wie „Tod auf Latschen“ erschöpft.

Aber vielleicht bin ich bei Hohlbein ja auch mit Blindheit geschlagen. Kann mir jemand die Augen öffnen? Nur ernst gemeinte Zuschriften, bitte, und zwar an: angelika.ohland@ewetel.net, Betreff: WASP. ANGELIKA OHLAND

Wolfgang Hohlbein: „WASP“. Ueberreuter, Wien 2008, 960 Seiten, 24,95 Euro