Skurrile Versatzstücke

Theatralische Collage als unsentimentales Schlaglicht: „Schwitters Merz 01 – die rewüh“, am Monsun Theater

Anna Blume kennt so mancher. „Oh du, Geliebte meiner 27 Sinne, ich liebe Dir!“ So stimmte Kurt Schwitters das Gedicht auf das „schlichte Mädchen im Alltagskleid“ vor über 80 Jahren an. Und bis heute ist Anna Blume immer wieder aufgetaucht, gerne auch als nicht weiter zugeordnetes Zitat in der Popkultur.

Doch nur wenige wissen mehr über ihren Schöpfer, als dass er mit seiner „Merz-Kunst“ mit den Dadaisten in einen Topf geworfen wird. Und vielleicht, dass er die Ursonate schuf, eine in den 20er Jahren revolutionäre rhythmische Aneinanderreihung bloßer Laute und Silben.

Der Schauspieler Oliver Hermann, Darsteller der Collage Schwitters Merz 01 – die rewüh am Monsun Theater, entdeckte Schwitters vor Jahren beim Rundgang durchs Hannoversche Sprengelmuseum, das eine umfangreiche Sammlung seiner Gemälde, Collagen und Objekte besitzt. Von Stund an ließ ihn das Multitalent Schwitters nicht mehr los.

Schwitters war Maler so gut wie Dichter, Architekt, Bildhauer oder Typograf. Sein schriftlicher Nachlass umfasst Bände, dazu Briefe, Anekdoten und anderes Material. Das Filtern war die größte Schwierigkeit. Autorin Franziska Steiof gelang – passend zum schwitters‘schen Arbeitsprinzip – eine Collage, die bei Hermann und seiner Bühnenpartnerin Barbara Wurster die „Lust am Blödsinn“ entfesselte. „Wenn man sich auf ihn einlässt“, so Hermann, „nimmt er einen vollkommen mit.“

Unter der Regie von Jens Paarmann sprudeln die beiden Akteure in Schwitters Merz 01 – die rewüh über vor skurrilen Texten und Aktionen zwischen grotesken Bühnenversatzstücken. Wo eben noch Salon, ist gleich Schiffsdeck oder Hotelfoyer. Wo eben noch Gesang, ist gleich fein ziseliertes Wortstakkato oder akustische Überraschung mit einer Kassettenrekorder-Orgel.

Die „theatralische Collage“ will Schwitters‘ Schaffen schlaglichtartig beleuchten, ohne zeitgeschichtliche Akzente zu vernachlässigen. 1937 floh der „entartete“ Künstler 50-jährig vor den Nazis nach Norwegen, später nach England, wo er 1948 starb. Schon 20 Jahre zuvor schrieb er: „Menschen! Lasst eure Gefühle nicht missbrauchen. Es gibt keine Ehre. Es gibt keine Schmach. Strebt, Mensch zu werden. Nieder den Krieg.“ Und auch: „Weißt du es Anna, weißt du es schon, man kann dich auch von hinten lesen. Und du, du herrlichste von allen, du bist von hinten wie von vorne: A-N-N-A.“ Oliver Törner

10.-12. Januar, Monsun Theater, jeweils 20 Uhr, Karten: 3903148