Tarife vor Konsens

Für den öffentlichen Dienst zeichnete sich gestern Abend eine Einigung ab. Kommunen fürchten die Mehrkosten

POTSDAM taz ■ Ein Streik im öffentlichen Dienst ist offenbar abgewendet. Bei den Tarifverhandlungen zwischen den Arbeitgebern und der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, die bei Redaktionsschluss noch andauerten, zeichnete sich gestern Abend eine Einigung ab. Demnach sollen die Löhne und Gehälter zum 1. Januar 2003 um 2,4 Prozent steigen. Zum 1. Januar 2004 und zum 1. Mai 2004 sind weitere Erhöhungen um jeweils 1,0 Prozent vorgesehen. Bei einer Laufzeit von insgesamt 27 Monaten ergibt sich daraus eine jährliche Steigerung von rund zwei Prozent. Die Gewerkschaft hatte ursprünglich drei Prozent gefordert, die Arbeitgeber verlangten eine Nullrunde. Eine Anhebung der ostdeutschen Tarife auf das westdeutsche Niveau war nach taz-Informationen aus Verhandlungskreisen für die unteren Gehaltsgruppen im Jahr 2007 vorgesehen, für die höheren Einkomen im Jahr 2009.

Vor allem für die Kommunen könnte der Tarifabschluss zu einem finanziellen Problem werden. Schon jetzt stehe fest, dass künftig weniger Menschen im öffentlichen Dienst arbeiten werden, hieß es. So bezahlt Frankfurt a. M. ein Prozent Lohnerhöhung mit rund sechs Millionen Euro. „Jede Tarifhöhung geht zulasten bestehender Stellen“, sagte Frankfurts Personalchef Josef Marx gestern zur taz.

Die Vertreter westdeutscher Kommunen wollen daher wenigstens Spielraum für Reformen im öffentlichen Sektor erreichen. „Ich hoffe auf einen langfristigen Vertrag, damit wir Veränderungen angehen können“, sagte der saarländische Arbeitgebervertreter Richard Nospers zur taz.

Städte, die am Personalhaushalt nicht sparen könnten, würden daher an ihrer Infrastruktur sparen – etwa Reparaturen an Schulen und Straßen. „Schon in den letzten zehn Jahren sind die Investitionen der Kommunen bundesweit um ein Drittel zurückgegangen“, rechnet Helmut Dedy vom Deutschen Städte- und Gemeindebund vor.

Dedy fürchtet sogar um die Eigenständigkeit der Städte und Gemeinden. In Nordrhein-Westfalen arbeite inzwischen ein Viertel aller Kommunen unter Aufsicht des Landes.

In den ostdeutschen Kommunen ärgern sich die Kämmerer darüber, dass die Angleichung der Ostgehälter an den Weststandard weiter auf sich warten lässt. „Uns laufen die jungen Nachwuchskräfte alle in den Westen davon, während die Belegschaft altert“, sagte Frank Jauch, Stadtkämmerer in Jena.

DIETER GLÄSENER, MATTHIAS BRAUN