Zweite Reformation

Bis zum 500. Jahrestag von Luthers Thesen im Jahr 2017 will sich die evangelische Kirche erneuern

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat in der Schlosskirche der Lutherstadt Wittenberg am Sonntag feierlich eine „Reformdekade“ ausgerufen – und gibt ihr den Namen „Lutherdekade“. In der Zeit bis 2017, bis zum 500. Jahrestag des überlieferten Anschlags der Reformationsthesen Martin Luthers an ein Portal dieser Kirche, solle der Person Luthers gedacht und eine „Dekade der Reform“ angestoßen werden. Das sagte der EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Wolfgang Huber, in seiner Rede unter der Kanzel des Reformators.

Während die „Lutherdekade“ vor allem in den mitteldeutschen Lutherstädten wie etwa Wittenberg, Erfurt, Eisenach und Eisleben mit einer Vielzahl an Veranstaltungen und Gottesdiensten in den kommenden Jahren gefeiert wird, zielt die Reformdekade auf mehr. Huber betonte, dass sie auch die laufende Umstrukturierung in der EKD begleiten soll. Sie hat in den vergangenen Jahren zu ersten Fusionen der 23 Landeskirchen geführt. Die Lutherdekade unterstützt dabei eine Entwicklung, die ein Beratungsgremium unter der Leitung Hubers mit einem umfangreichen „Impulspapier“ vor zwei Jahren angestoßen hatte. Die Schrift hatte in der evangelischen Kirche wegen ihrer harten Analyse wie sprachlichen Kälte sowohl zu heftiger Kritik wie großer Zustimmung gesorgt.

Die Lutherdekade, so unterstrich Huber, sei „keine Jubeldekade“. Dagegen stehe schon die Ambivalenz der Person Luthers, etwa seine „beschämenden Aussagen zu den Juden“ und seine Kommentare zu den Bauernkriegen. Es dürfe auch „weder national noch konfessionell eine Engführung“ geben. Huber schlug deshalb vor, das Reformationsjahr 2017 solle ein „ökumenisches Ereignis“ werden. Ihm schwebt vor, dass die EKD nicht zuletzt mit Theologen und Historikern der katholischen Kirche eine gemeinsame Interpretation der Reformationsgeschichte anpackt. „Wir wollen diesen Weg ebenso mit der römisch-katholischen wie mit anderen christlichen Kirchen gemeinsam gehen.“ Seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren müht sich der EDK-Ratsvorsitzende darum, das protestantische Profil in der Öffentlichkeit zu schärfen.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) schlug angesichts der Demokratieferne vergangener Generationen von Protestanten einen Bogen zum Islam von heute. „Wir sollten die Lutherdekade auch als eine Chance sehen, uns auf unseren eigenen Lernprozess zu besinnen und ihn mit den Muslimen in unserem Land zu diskutieren.“ Er rief die protestantische Kirche zu mehr Selbstbewusstsein auf: „Ein starker, selbstbewusster Glaube, ein starker, selbstbewusster Protestantismus kann für unsere Gesellschaft sehr wichtig sein.“

PHILIPP GESSLER