Das große Lauschen, letzter Teil

Nach Highlight-gesättigten Wochen endet das Musikfest mit einem echten Hinhörer: den „Musiciens du Louvre“

Bevor der Dirigent kommt, ist die Bühne ein Ort der Improvisation. Bei den „Musiciens du Louvre“, die jetzt das Abschluss-Konzert des Musikfestes bestritten, werden diese herrschaftsfreien Momente besonders gern zu prächtigen Privat-Präludien genutzt: Die Streicher überbieten sich mit flotten Arpeggien, das Fagott nutzt die temporäre Anarchie für einige exaltierte Akkorde. Dann aber bereitet der Konzertmeister dem nahenden Auftritt von Maestro Marc Minkowski den Boden: Mit Hilfe der Oboe verpflichtet er die ganze Bande zur Übernahme des Kammertons. Dass dieser nach dem Stille-Post-Prinzip durch die Reihen gegeben wird, ist wiederum typisch für den Stil der „Musiciens“: Jeder einzelne trägt Verantwortung.

Dieses Prinzip machen Hector Berlioz’ „Harold in Italien“ zu einem Ohrenschmaus – womit aktive (akustische) Nahrungsaufnahme gemeint ist. Die Sinfonie gehört mit ihren filigranen Stimmungen und steten Phrasenwechseln zu den nicht allzu leicht konsumierbaren Werken und es ist Musikfest-Chef Thomas Albert hoch anzurechnen, dass er zum Abschluss des dreiwöchigen Festivals keineswegs nur populäre „Selbstläufer“ programmiert hat.

Solist ist der Bratscher Antoine Tamestit, diesjähriger Träger des Förderpreises. Der ist nicht derart hoch dotiert wie der 25.000 Euro schwere Hauptpreis, der 2008 sehr verdient an den Pianisten Fazil Say geht – beinhaltet aber eine Karriere-relevante Studioproduktion.

Zurück in die „Glocke“, zum „Tod der Kleopatra“: Berlioz’ großartiges Melodram, gesungen und erlitten von Vesselina Kasarova. Der Mezzo-Star durchfiebert den Selbstmord der Ägypterin, deliriert nach dem finalen Schlangenbiss und hat bei all dem die volle Empathie der „Musiciens“. Deren Aufmerksamkeit und unvoreingenommene Neugier befruchtet eben nicht nur das Feld der Barock-Reanimationen, auf dem sich das Ensemble ursprünglich seinen Ruhm erwarb.

Dass häufig gespielte Stücke nichtsdestoweniger eine Konzentrations-Falle sein können, beweist Strawinskys „Pulcinella“: Die „Musiciens“ überraschen mit etlichen intonatorischen und metrischen Unsicherheiten. Im Anschluss allerdings macht Minkowski alle „Pulcinella“-Patzer vergessen. Mit Tschaikowskys „Nussknacker“ kommt dann doch noch der Konzertsaal-Klassiker, der die ausverkaufte „Glocke“ in Begeisterung versetzt.

Die Gesamtauslastung des Festivals (23.464 Karten) wird erst heute bekannt geben. HB