Streit um Schrebergarten

Eigentlich wollten die Grünen über Inhalte debattieren. Doch dann beschäftigte die Frage: Wie können Kuhn und Roth mit Fraktionsposten versorgt werden?

WÖRLITZ taz ■ Auf neun Seiten haben die Grünen zum Ende ihrer Fraktionsklausur noch einmal hehre Ziele zusammengefasst – von der Generationengerechtigkeit bis zur Mittelstandsförderung. Auf den Korridoren des Tagungshotels im sachsen-anhaltischen Wörlitz sorgte unterdessen eine Personalfrage für Unruhe, die kaum ohne die Verletzung hehrer Ansprüche zu lösen sein wird. Im Mittelpunkt stehen wie schon bei den Parteitagen in Bremen und Hannover die nun abgewählten Vorsitzenden Fritz Kuhn und Claudia Roth.

Die beiden Abgeordneten sollen nach dem Verlust ihrer Parteiämter mit Sprecherposten in der Fraktion entschädigt werden. Weil diese Funktionen aber bereits vergeben sind, möchte die Fraktionsführung jetzt zwei altgediente Recken zum Verzicht bewegen: Antje Vollmer, die kulturpolitische Sprecherin, zugunsten von Roth, und Werner Schulz, den wirtschaftspolitischen Sprecher, zugunsten von Kuhn. Schulz warnt bereits: „Es kann nicht sein, dass Fritz Kuhn seine berechtigte Wiedereingliederung in die Fraktion durch die Degradierung eines Kollegen erreicht.“

Obwohl das Wort von der Klausur trautes Beisammensein nahe legt, haben es die vier Beteiligten in Wörlitz sorgfältig vermieden, sich zu einem Gespräch zusammenzusetzen. „Das kann kein individuelles Problem sein“, sagt Roth zur Begründung und hat dabei die Fraktionsvorsitzenden Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt auf ihrer Seite. Weil Roth und Kuhn von den Grünen geopfert wurden, so das Argument, müssten die Grünen gemeinsam für sie sorgen.

Vollmer und Schulz wiederum mögen nicht glauben, dass sie rein zufällig ins Visier der Personalplaner geraten sind. Die westdeutsche Veteranin und der ostdeutsche Polemiker sehen sich als unabhängige Köpfe, die zwar den realpolitischen Kurs der Parteioberen stützen, aber dabei eigenständig denken. Joschka Fischer soll bereits im Herbst versucht haben, beide gegeneinander auszuspielen. Um Schulz von einer Kandidatur für den Fraktionsvorsitz abzuhalten, bot der Obergrüne ihm – vergeblich – Vollmers Amt der Bundestagsvizepräsidentin an.

In der Fraktionsführung will man vom Verdacht der späten Abstrafung nichts wissen. Es gehe um eine Konsenslösung, bei der niemand am Ende ohne Posten bleibe, heißt es. Vollmer könne als Parlamentsvize weiterhin kulturpolitische Debatten beeinflussen, während der Ostdeutsche Schulz die Arbeitsmarktpolitik übernehmen könne – die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Thea Dückert ist zum Verzicht auf diesen Sprecherposten bereit. Womöglich werden auch einfach neue Aufgaben geschaffen – und Vollmer etwa für die E-Kultur zuständig, Roth dagegen für den U-Bereich. „Bruce Springsteen und Staatsschloss, das ist doch eine prima Aufgabenteilung“, meint ein Spötter.

Die Entscheidung wird voraussichtlich am kommenden Dienstag fallen – und Vollmer wie Schulz wollen es auf eine Kampfabstimmung ankommen lassen. Ein Grüner, der in der Angelegenheit nichts zu verlieren hat, schüttelt nur den Kopf. Letztlich seien die Sprecherposten ohne große Bedeutung. „Da sind doch keine Latifundien zu vergeben, da geht es um einen Streit zwischen Schrebergärtnern.“

PATRIK SCHWARZ