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: Graziöse Stadt

„Graz 2003“, 20.15 Uhr, 3sat

Den merkwürdigsten Satz sagte Nikolaus Harnoncourt: „Graz ist keine sehr bekannte Stadt.“ Das ist zwar richtig, aber der Dirigent sagte den Satz in einer Fernsehgala, die anscheinend vom Gegenteil ausging. Von einem Grundwissen über Graz nämlich. Davon, dass der europäische Fernsehzuschauer eine Idee von der Kultur der Stadt hat. Denn die Eröffnungsgala der Kulturhauptstadt Europas „Graz 2003“ beleuchtete nur die Höhepunkte des Programms und deren prominente, meist nichtgrazerische Entwickler. Graz selbst hingegen blieb im Hintergrund. Da man aber nicht über seine Unbekanntheit hinwegtäuschen kann, wirkte es so, als wollte sich Graz hinter dem eigenen Kulturhauptstadtprogramm verstecken.

Der Einfall, die Show so in Szene zu setzen, als ließe sie Graz von „Europa“ veranstalten, war eigentlich nicht schlecht. Das verlieh der Show aktuellen Charakter, im Sinne von: Graz ist fertig mit den Vorbereitungen, hier, Europa, ist deine Kulturhauptstadt. Beispielhaft saß der Intendant von „Graz 2003“, Wolfgang Lorenz, während der gesamten Show auf einer kleinen, mitten im Raum aufgeschütteten Sandinsel in einem Sonnenliegestuhl. Allerdings blieb er außerhalb des Geschehens. Lieber unterhielt sich die Moderatorin Desiree Nosbusch mit Henning Mankell oder der EU-Kommissarin Viviane Reding über Internationalität und Integration.

So blieb auf der Strecke, dass Graz tatsächlich eine offene und vielschichtige Stadt ist. Graz liegt an der Schwelle zum Südosten beziehungsweise, von Südosten aus gesehen, an der Schwelle zum Nordwesten Europas und war immer wieder vorübergehende Heimat für ausländische Künstler. Seit Anfang der Siebzigerjahre gilt Graz als „heimliche Hauptstadt der deutschsprachigen Literatur“ und als Hauptstadt der österreichischen Avantgarde. Und Graz hat noch viel mehr zu bieten. Selbstverständlich bedeutet es eine Standortaufwertung, Kulturhauptstadt zu sein, und deshalb muss ein medienwirksames Spektakel geboten werden. Aber Graz hätte sich mit der TV-Gala ruhig ein bisschen mehr Eigenheit und Selbstverliebtheit leisten können.

PS: Der bekannteste Ursprungsgrazer, Arnold Schwarzenegger, kam nicht. Er fehlte aber auch nicht. JULIA ENGELMAYER