Die grüne Minderheitenhobbyistin

Ska Keller ist 26, studiert Turkologie und steht auf „Sachen, die nicht alle machen“. Darum macht sie auch Kommunalwahlkampf für die schwächelnden Grünen in Brandenburg FOTO: RAINER WEISFLOG

Ska Keller hat eine Schwäche: Die 26-jährige Vorsitzende der Brandenburger Bündnisgrünen steht auf „Sachen, die nicht alle machen“. Islamwissenschaft, Turkologie und Judaistik zum Beispiel, das sind ihre Studienfächer an der FU Berlin. Oder eben grüne Politik in Brandenburg, auch ein Minderheitenhobby. 700 Mitglieder hat ihr Verband – in ihrer Heimatstadt Guben sind es 3.

Auch ein Erfolg bei der Kommunalwahl am 28. September wäre ungewöhnlich – Brandenburgs Grüne sind in allen drei Versuchen nicht über fünf Prozent gekommen. Vielleicht reizt es Keller deshalb, auf märkischen Straßen für grüne Politik zu werben.

Fröhlich, souverän und mit gewählten Worten spricht die als Franziska Maria geborene Ska Keller über ihr Lieblingsthema Frauenpolitik, aber auch über Migration und Soziales. Ihr Wahlthema ist Energie, besonders der Braunkohlestreit. „Früher haben die Leute uns für Spinner gehalten – jetzt reißen sie uns die Energiebroschüren aus den Händen.“

Es wirkt, als hätten sich zwei gefunden: eine Partei, deren Positionen aus Kellers Mund frisch klingen, und eine Frau, die vermutlich nachts eine Werberede fürs Grünsein halten kann. Ökostrom hat sie, zum Sozialforum nach Schweden fährt sie mit dem Zug. An ihrer Hand blitzt ein goldener Ring – im August heiratete sie ihren finnischen Freund. „Heiraten ist nichts sehr Grünes“, sagt sie. „Es war eine persönliche Entscheidung, keine politische.“

Vor wenigen Jahren noch trug Keller eine Glatze und engagierte sich in der Antifa gegen rechts. 1999 hetzten in ihrer Heimatstadt Guben elf Jugendliche den Algerier Omar Ben Noui zu Tode. „Wir haben täglich den Gedenkstein kontrolliert, ob er beschmiert wurde.“ Einer der Täter kandidiert für die NPD für die Stadtverordnetenversammlung, er ist direkter Konkurrent von Keller. Sie wirkt nicht, als könnten ihr die Mühen der Ebene viel anhaben. „Ich komme aus Brandenburg“, sagt sie, „es war klar, dass das der Ausgangspunkt meiner Politik ist.“

Ihre politische Zukunft sieht Keller in Europa. Seit ihrer Zeit als Sprecherin der Europäischen Grünen Jugend reizen Keller EU-Themen – sie wäre gern auf der Liste, wenn die Grünen im Januar ihre EU-Kandidaten küren, und hat auch gewisse Chancen. Ein Achtungserfolg in Brandenburg wäre eine gute Empfehlung. Ihre Nahost-Expertise wäre in Straßburg nützlich, zudem spricht oder versteht sie mehrere Sprachen. Brandenburgisch aber spricht sie nicht. Grund für ihren Vater, einen Gubener Arzt, ihr zu sagen: „So wie du sprichst, wirst du hier nie Wahlen gewinnen.“ Am 28. September will Ska Keller zum Gegenbeweis antreten.HENDRIK HEINZE