Intervention muss sein

Die Elfenbeinküste steht vor einem großen Bürgerkrieg. Eine regionale Lösung ist nicht in Sicht. Ohne Eingreifen der alten Kolonialmacht Frankreich droht ein „Kongo-Szenario“

Die französischenSoldaten dürften schon jetzt große Flüchtlingsströme verhindert haben

Für den 15. Januar hat die französische Regierung alle Konfliktparteien in der Elfenbeinküste – die Regierung, Parteien und die drei Rebellengruppen – zu Verhandlungen über eine politische Lösung nach Paris eingeladen. Im Vorfeld der Konferenz gibt es viele Hoffnungen, aber auch Skepsis, zumal bis zur letzten Minute offen bleiben wird, ob alle eingeladenen Parteien tatsächlich erscheinen werden.

Noch kocht der durch eine Rebellion von entlassenen Soldaten ausgelöste Bürgerkrieg auf relativ kleiner Flamme. Aber das kann sich täglich ändern. Werden die Bürgerkriegsparteien ihrer eigenen Dynamik überlassen, ist eine Eskalation in einen offenen, anhaltenden Krieg mit der Intervention von anderen afrikanischen Staaten, dem Einsatz von Söldnern und dem verstärkten Treiben obskurer Geschäftsleute und Kriegsgewinnler mehr als wahrscheinlich – ein „Kongo-Szenario“.

Die Folgen wären nicht nur für die Elfenbeinküste katastrophal. Praktisch alle Nachbarstaaten, die mit dem einstigen Wirtschaftsmotor der Region wirtschaftlich und demografisch eng verbunden sind, würden zumindest wirtschaftlich hart getroffen und vermutlich ebenfalls politisch destabilisiert. Schon jetzt sieht UN-Generalsekretär Kofi Annan negative Rückwirkungen auf Sierra Leone, das gerade zu einem labilen Frieden gefunden hat. Die Gefahr, dass inmitten Westafrikas auf dem Kontinent ein weiteres „schwarzes Loch“ mit einer zwischen verschiedenen ethnischen und Rebellengruppen aufgeteilten Elfenbeinküste entsteht, ist real.

Die Reaktion auf die Entwicklungen in der Elfenbeinküste darf sich nun bei den westlichen Geberländern nicht darauf beschränken, ihr Personal abzuziehen und Investitionen einzufrieren. Gefragt sind vielmehr Strategien, um den Konflikt einzugrenzen und schrittweise zu entschärfen. Dabei kommt der Haltung Frankreichs so oder so eine zentrale Rolle zu.

Die ehemalige Kolonialmacht betreibt seit vielen Jahren eine Afrika-Politik, die wenig transparent ist und undemokratische Verhältnisse stabilisiert. So ist es nicht verwunderlich, dass die Tatsache, dass sich die französische Regierung nach längerem Zögern entschlossen hat, politisch und militärisch die Initiative zu ergreifen, vielfach auf Kritik stößt.

So ist zwischen den Zeilen in der taz zu lesen, dass die Regierung Gbagbo mit ihrer nationalistischen und ausländerfeindlichen Politik längst durch die Rebellen gestürzt worden wäre, wenn nicht französische Truppen mit Nachdruck die Waffenstillstandslinie sichern würden. Diese Position verkennt, dass die Politik von Gbagbo im Süden des Landes eine breite gesellschaftliche Basis hat und der Konflikt nicht dadurch aus der Welt geschafft wird, dass der muslimische Norden nun seinerseits das Land dominiert.

Zu sehen ist auch, dass nur ein Teil der Rebellen „rational“ und auf eine politische Lösung hin agiert. Bei den neu entstandenen Rebellengruppen im Westen des Landes sind zum Teil die typischen Verhaltensweisen von Warlords zu erkennen. Sie scheinen sich denn auch zu einem erheblichen Teil aus Liberianern zu rekrutieren. Unabhängig davon wird die Regierung Gbagbo, die immerhin aus demokratischen Wahlen hervorgegangen ist, nicht freiwillig Abidjan räumen. Wahrscheinlicher ist der Hilferuf an „befreundete“ afrikanische Länder, der Rückgriff auf deren Truppen und auf Söldner.

Deswegen kann es nur eine politische Verhandlungslösung des Konflikts geben, die darauf baut, dass es in der ivorischen Gesellschaft und bei beiden Konfliktparteien eine hinreichend große Zahl von Menschen gibt, die kein Interesse daran haben, dass die Elfenbeinküste endgültig im Chaos versinkt. Leider hat die Vermittlungsinitiative der in der „Ecowas“-Gruppe zusammengeschlossenen westafrikanischen Staaten, von denen einige über gute Beziehungen zu beiden Konfliktparteien verfügen, keine Resultate gebracht. Ursächlich waren nicht zuletzt Rivalitäten zwischen beteiligten Ländern, die ein zielgerichtetes und „machtvolles“ Vorgehen der Nachbarländer stark behindert haben. Dadurch ist wertvolle Zeit verloren worden.

Erst nachdem das Scheitern der Ecowas-Initiative erkennbar war, hat Frankreich die Initiative zu einer Federführung bei dem Versuch der Konfliktlösung ergriffen. Mit der Verstärkung seiner Truppen sieht es seine Rolle nicht mehr ausschließlich im Schutz der in der Elfenbeinküste lebenden Ausländer, sondern auch in der Garantie und der Durchsetzung des Waffenstillstands. Gezielt übt Paris auf beide Seiten Druck aus, um eine Eskalation des Konfliktes zu verhindern. Der Konferenz in Paris ab dem 15. Januar sollen Treffen mit den westafrikanischen Staatschefs und mit UN-Generalsekretär Kofi Annan folgen, sodass eine breite diplomatische Einbettung der Friedensgespräche und ihrer Ergebnisse möglich erscheint.

Eine eigenständige westafrikanische Lösung hat sich leider als Wunschdenken herausgestellt

Diejenigen, die Paris nun vorwerfen, auf den alten Pfaden seiner afrikanischen Sonderbeziehungen zu wandeln, müssen sich fragen lassen, welche Alternativen es gibt. Eine eigenständige westafrikanische Lösung hat sich leider als Wunschdenken herausgestellt, obwohl die entsprechenden Initiativen international einhellig unterstützt wurden. Aus heutiger Sicht scheint es vielmehr so, dass die internationale Gemeinschaft froh sein kann, dass Frankreich aufgrund seiner Sonderbeziehungen und spezifischen Interessen energisch die Initiative zu einer Konfliktlösung ergreift. Die Präsenz französischer Soldaten dürfte schon jetzt vielen Menschen das Leben gerettet und bisher das Entstehen großer Flüchtlingsströme verhindert haben. Und es ist auch absehbar, dass ein unter französischer Federführung ausgehandelter politischer Kompromiss einen stärkeren Einfluss des muslimischen Nordens auf die Führung der Regierungsgeschäfte der Elfenbeinküste zur Folge haben wird. Denn nur so werden die Ursachen des Konflikts und damit anhaltende Menschenrechtsverletzungen beseitigt werden können.

Diese Politik ist für Frankreich nicht ohne Risiko. Paris riskiert, zwischen die Fronten zu geraten und von beiden Bürgerkriegsparteien angegriffen zu werden. Auch besteht für die französischen Soldaten die Gefahr, in einen lang anhaltenden Konflikt hineingezogen zu werden. Auf beiden Seiten gibt es Kräfte, die versuchen, eine politische Lösung zu torpedieren. Auf der anderen Seite ist Konfliktlösung ohne Risiken nicht zu haben. Dies hat erst kürzlich der Einsatz von wenigen britischen Spezialeinheiten in Sierra Leone gezeigt, die durch ihr entschlossenes Handeln erst eine Durchsetzung des UN-Friedensplans ermöglicht haben.

Zurzeit gibt es offensichtlich in Côte d’Ivoire nur unter Einschaltung der Franzosen einen Weg zum Frieden. Umso wichtiger ist es, dass Deutschland, dass die EU die Pariser Initiativen mit Nachdruck diplomatisch unterstützen. Dies kostet zunächst wenig, kann aber entscheidend dazu beitragen, die französische Position gegenüber der ivorischen Regierung und den Rebellen zu stärken. ROGER PELTZER