die stimme der korrektur
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Muss man jetzt „hier zu Lande“ schreiben, „aufwändig“ oder „Portmonee“? Solche Fragen erreichen die Korrekturabteilung nach wie vor. Ob man das nicht vielmehr einfach nur darf, wird weniger gefragt. Vor allem was früher verboten war, übt auf alle Beteiligten großen Reiz aus. „Wenn schon modern, dann richtig“, diese Mentalität scheint mächtiger zu sein als das Bedürfnis nach wenig Veränderung. Die erste Zeit nach der Reform wären die „Photovoltaik“ oder „Delphin“ mit ph, obwohl weiter erlaubt, kaum mehrheitsfähig gewesen. Inzwischen hat, nicht nur bei der taz, die Freude am neu Gestatteten merklich nachgelassen; die Entscheidungen, welche Variante den Vorzug verdiene, sind pragmatischer geworden. Es lohnt nicht, wegen Getrenntschreibung, die als neu daherkommt, einen Text zu verlängern – und kürzen zu müssen.

Damit es nicht so ernüchternd schnell zum Altbekannten zurückgeht, kann sich das Mitglied der Sprachgemeinschaft ja auch durch Gerüchte ein wenig verwirren lassen. Muss es vielleicht heute „zurück gehen“ oder „heraus finden“ heißen? Beim Lesen vieler Zeitungen ist man geneigt, diese Schreibweisen zumindest für zulässig zu halten. Kann man gar mit der Behauptung, zweie könnten nach heutiger Regel nur zusammenkommen, indem sie „zusammen kommen“, konservative Herrschaften schockieren? Man kann: Mit diesem und anderen falschen Beispielen polterte am Tag vor Weihnachten in der FAZ ein emeritierter Juraprofessor auf einer ganzen Seite gegen die Reform.

Und obendrauf haben die Presseagenturen eine eigene Reform gesetzt. Highlight: Während „du“, „ihr“, „dein“, „euer“ etc. von Amts wegen immer kleinzuschreiben sind, beschlossen sie, dies alles großzuschreiben, auch wo es weder alter noch neuer Rechtschreibung entspricht. Soll das („Bild Dir Deine Meinung“) direkt ansprechen? Die taz ist lieber der amtlichen Regelung gefolgt, „so, wie sie in den Schulen gelehrt wird“. Deren Variante dürfte außerhalb der Medienrealität die geläufigere sein. Im Agenturmaterial zeigt sich denn auch, dass Beschluss und Umsetzung zwei paar Schuhe sind; „du“ findet sich meist doch klein, ein gesprochenes „Euch“ dagegen gerne groß.

Beeinflusst durch diesen Kampf dürfte auch die Ansicht sein, man unterscheide nicht mehr zwischen „sie“ und „Sie“. Wer das glaubt, wird auch nicht stutzen, wenn er etwa im Schaufenster einer pfälzischen Metzgerei liest, die verwendeten Schweine kämen von einem vertrauenswürdigen Hof, und erfährt: „Hier werden Sie artgerecht gehalten.“    MATTHIAS FINK