BHV soll erwachsen werden

Ein Untersuchungsausschuss, „der nicht nötig war“, stellt seinen 79 Seiten dicken Bericht vor. Die Grünen mit einem Minderheitenvotum: Stadtverordnetenvorsteher Beneken hat vermutlich „Knebelvertrag“ verfasst und soll zurücktreten

„Das Amt ist unabhängig und durch niemanden zu beeinflussen.“

taz ■ Als „kleinsten gemeinsamen Nenner“ sieht Thomas Röwekamp (CDU), Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zum Bremerhavener Rechnungsprüfungsamt (RPA), den Abschlussbericht. Gemeinsames Fazit von SPD, CDU und Grünen bei der gestrigen Vorstellung: Der Ausschuss habe „sich gelohnt“ und diene hoffentlich dazu, die Bremerhavener Konflikte zwischen Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD) und seinem Magistrat auf der einen sowie dem Rechnungsprüfungsamt auf der anderen zu lösen. Der Ausschuss sei nicht nötig gewesen, „wenn sich in Bremerhaven alle wie erwachsene Menschen verhalten hätten“, fügte Röwekamp hinzu. Ein Rechtsgutachten über die unklare Stellung des RPA in der Seestadt hätte es auch getan.

Eine zentrale Frage konnten die Parlamentarier nicht klären: Wer den vielzitierten „Knebelvertrag“ verfasst hat. Inhalt des umstrittenen Papiers: Der Bremerhavener Rechnungsprüfungsamtsleiter Rainer Mattern sollte einen Teil seiner Prüfkompetenzen nicht mehr ausüben. Ihm wurde im Gegenzug in Aussicht gestellt, gegen ihn laufende disziplinarische Vorermittlungen einzustellen und ihn zu befördern, wenn er sich auf andere Stellen wegbewerben würde.

Zeugen, Grüne und Röwekamp bezeichneten das Papier als „sittenwidrig“, die SPD nannte es einen „Einigungsversuch“ zwischen OB und Stadtverordnetenvorsteher Artur Beneken (SPD) mit Mattern. Selbst eine Gegenüberstellung von Kronzeugen – Klaus Rosche (SPD), Paul Bödeker (CDU), Beneken und Mattern – brachte im Ausschuss nicht den Verfasser ans Licht. Vorsitzender Röwekamp bedauerte, dass eine Vereidigung im Ausschuss bei Stimmengleichheit gescheitert war. Dort saßen drei SPD-Vertreter, zwei von der CDU und Manfred Schramm von den Grünen. Röwekamp: „Ich bin mir sicher, dass wir den Verfasser des Papiers in der Zeugenbefragung vor uns hatten.“ Da der weiter unbekannt sei, könne man nur von einem „Versuch der unzulässigen Einflussnahme“ auf den Amtsleiter sprechen, ist die großkoalitionäre Kompromissformel im Abschlussbericht.

Damit sind die Grünen nicht einverstanden: Der „Knebelvertrag“ sei eine „unzulässige Einflussnahme“ und nicht nur ein Versuch. „Starke Indizien“ würden dafür sprechen, dass Artur Beneken der Vater des Werks war, so Schramm. Das reicht den Grünen, um dessen Rücktritt zu fordern. Der Ausschussvorsitzende dazu: Beneken müsse sich jetzt selbst überlegen, ob er „noch der richtige Mann auf der richtigen Position“ sei. Wenn Beneken zurücktreten wolle, hätte er „Verständnis“ dafür.

Das Verhalten von OB Schulz, der die Akteneinsicht des RPA verschleppt habe, schätzt der Ausschuss als Behinderung der Prüfung ein. In einem Fall sei eine Prüfung sogar derart in die Länge gezogen worden, dass Regressansprüche der Stadt gegenüber Geprüften verjährt waren. Heißt: Durch Schulz’ eigenmächtiges Verhalten ist der Stadt finanzieller Schaden entstanden.

Die gegen Mattern seit drei Jahren laufenden disziplinarischen Vorermittlungen seien zu Recht eingeleitet worden, stellt der Ausschuss fest. Mattern habe zu privaten Zwecken Akten angefordert. Das Verfahren sei jedoch „ungewöhnlich lang“, nach Sicht der Grünen zu lang.

Ein vom Ausschuss beim ehemaligen Oberverwaltungsgerichtspräsidenten Günter Pottschmidt eingeholtes Rechtsgutachten über die Stellung des Rechnungsprüfungsamtes in Bremerhaven klärt, dass der Stadtverordnetenvorsteher nicht Dienstvorgesetzter für das Rechnungsprüfungsamt ist. Darüber hatten sich Beneken und Mattern zerstritten. Gestern stellte Röwekamp noch einmal unmissverständlich klar: „Das Rechnungsprüfungsamt ist unabhängig und durch niemanden zu beeinflussen.“ Ulrike Bendrat