Gitarrenschänder unter Verdacht

Pete Townshend („The Who“) hat Kinderpornografie über das Internet gekauft – zu Recherchezwecken, wie er sagt

Ob Pete Townshend tatsächlich ein Pädophiler ist, kann zurzeit noch niemand genau sagen. Fakt ist: Der Gitarrist von „The Who“ ist einer von rund 7.300 verdächtigen Briten, deren Kreditkartendaten vom FBI bei einem amerikanischen Anbieter von Kinderpornografie entdeckt wurden. Townshend (57), treibende Kraft von „The Who“, die bei Liveauftritten gern Gitarren an den Verstärkern zerschlugen, lässt sich auf seiner Homepage www.petetownshend.co.uk als „Storyteller“ beschreiben. Für einen Profi im Geschichtenerzählen klingt seine Erklärung des Kinderpornovorwurfs allerdings so dünn und unbeholfen, dass man ihm fast schon wieder glauben könnte: Er habe lediglich für seine Autobiografie über das Thema Kindesmissbrauch recherchiert. Seine Rockoper „Tommy“ handelt von einem missbrauchten Kind. Townshend gibt an, in früher Jugend möglicherweise selbst geschändet worden zu sein. Er ließ seine Räume freiwillig von der Polizei durchsuchen. Mittlerweile ist er gegen Kaution wieder auf freiem Fuß.

Möglicherweise wird man sich weniger über Townshend selbst als über seine ganze Generation unterhalten müssen: Die 7.300 verdächtigen Briten sind nur ein kleiner Teil der insgesamt 250.000 von den US-Behörden ermittelten Kinderpornokunden. Bei der „Operation Ore“ („Operation Erz“) wurden bisher in Großbritannien 1.300 Verdächtige verhaftet. Was die britische Öffentlichkeit nun besonders schockt, ist die Tatsache, dass sie sich von der Vorstellung des Pädophilen als schmutzigem altem Mann im Regenmantel verabschieden muss. Die Pädophilen kommen aus allen Berufen und sozialen Schichten. Politiker und Fernsehprominente sind dabei, Richter auch. 50 Polizisten finden sich auf der Liste. Die Prominenz Townshends bringt dem Thema in Großbritannien eine Aufmerksamkeit, die ihm in Deutschland versagt blieb: Schon Mitte September 2002 nämlich griffen die deutschen Behörden bei der „Aktion Pecunia“ zu. 1.100 Durchsuchungen meldete das BKA. Es wurden 47.000 Datenträger und 25.000 Videos beschlagnahmt – was wegen der nahenden Bundestagswahl fast unbemerkt blieb.

Sowohl „Operation Ore“ als auch „Pecunia“ stützen sich auf Daten, die das amerikanische FBI im Rahmen der „Operation Avalanche“ („Operation Lawine“) gegen den Texaner Thomas Reedy sicherstellte. Der Geschäftsführer der Kinderpornofirma „Landslide“ („Erdrutsch“) ist bereits im Dezember 2000 wegen sexueller Ausbeutung Minderjähriger und der Weitergabe von Kinderpornografie verurteilt worden, im August 2001 wurde gegen ihn ein Strafmaß von insgesamt 1.335 Jahren verhängt. „Landslide“ war ein hoch profitables Unternehmen mit einem Monatsumsatz von 1,4 Millionen Dollar. Womit gehandelt wurde, verhehlte niemand: Auf der Landslide-Homepage gab es ein Feld mit der Beschriftung: „Für Kinderpornos hier klicken“. Auf diesen Knopf hat auch Pete Townshend gedrückt.

Seine Verwicklung in den Fall hat ihm jetzt sogar eine Erwähnung bei der Verleihung des American Music Awards eingebracht. Er sei „ganz erschüttert“, sagte Elton John, der die Show eröffnet hatte. Ihm wird noch der tiefe Sturz eines anderen Kollegen erinnerlich sein: 1999 wurde der britische Rockstar Gary Glitter wegen des Besitzes von Kinderpornografie verurteilt.

STEFAN KUZMANY