Neue Regierung gibt dem Gesamtstaat mehr Gewicht

Koalition aus Nationalparteien regiert künftig Bosnien und Herzegowina. Internationale Gemeinschaft spricht von akzeptablem Kompromiss

SARAJEVO taz ■ Drei Monate nach den Wahlen in Bosnien und Herzegowina hat das Parlament des Gesamtstaates endlich eine neue Regierung bestimmt. Sie besteht aus den Nationalparteien der Muslime (SDA), der Serben (SDS) und der Kroaten (HDZ). Hinzu kommen noch Vertreter der in der serbischen Teilrepublik zweitstärksten Partei, der „Partei des demokratischen Fortschritts“ und der unter Muslimen populären „Partei für Bosnien und Herzegowina“.

Um die Regierung zu bilden, waren lange Verhandlungen nötig, bis Kompromisse gefunden wurden, die auch von internationaler Seite akzeptiert werden konnten. Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft, Paddy Ashdown, versuchte offenbar mit Erfolg, die nationalistischen Parteien auf einen Reformkurs in Bezug auf das Steuersystem und bei Fragen der inneren Sicherheit festzulegen.

Neuer Regierungschef ist der Muslim Adnan Terzic, der vorher als Vertreter der SDA Bürgermeister in der zentralbosnischen Stadt Travnik war. Außenminister wurde der Serbe und Chef der Partei des demokratischen Fortschritts, Mladen Ivanić. Der Kroate Barisa Colak wurde zum Minister für Sicherheit und Vizepremierminister ernannt. Das Kabinett wurde auf acht Ministerien erweitert, zwei leiten Frauen.

Für das neue Ministerium für Sicherheit muss erst eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden. Auch die Kompetenzen für das Finanzministerium sollen erweitert werden. Im Ganzen wird mit der neuen Regierung der Gesamtstaat gegenüber den so genannten Entitäten, der serbischen Teilrepublik und der bosniakisch-kroatischen Föderation, gestärkt. So jedenfalls lautet das Presseecho in Sarajevo. Dem Hohen Repräsentanten sei es gelungen, Widerstände gegen diese Reform vor allem auf serbischer Seite zu überwinden. Die Einführung eines Ministeriums für Sicherheit begrüßen in Sarajevo auch Oppositionspolitiker als „richtigen Schritt“. Kritiker bemängeln, dass gerade in diesem Ressort falsche Weichen gestellt würden. Denn es sei dem von den Nationalparteien gestellten Personal nicht zuzutrauen, die Korruptionsskandale, in die gerade die Nationalparteien verwickelt sind, aufzudecken.

Die bisher regierenden Sozialdemokraten, die für einen integrierten Bürgerstaat eintreten und gegen die Nationalisten aller Seiten ankämpfen, sind auf die Oppositionsbänke verwiesen. Prominente Vertreter aus dem nichtnationalistischen Lager erinnerten gegenüber der taz daran, dass die Nationalparteien, die sich bekämpften und das Land in den Krieg führten, vor dem Krieg 1992–95 zunächst ebenfalls eine Koalition gebildet hatten. Sie seien nicht ernsthaft in der Lage, tragfähige Kompromisse zu finden und eine auf die europäische Integration ausgerichtete Reformpolitik durchzusetzen. Die neue Regierung wird, anders als ihre Vorgängerin, die auf Betreiben der internationalen Gemeinschaft nur zwei Jahre regieren durfte, vier Jahre amtieren. Und damit, so hoffen Vertreter der internationalen Institutionen, Gelegenheit haben, die Position der Opposition zu widerlegen. ERICH RATHFELDER