Fusion ermöglicht neue Atomkraftwerke

Der französische Atomstromversorger EDF kauft für 16 Milliarden Euro den Konkurrenten British Energy. Jetzt will er die britische Renaissance der Atomkraft vorantreiben: Er plant, in dem Königreich vier angeblich besonders sichere Reaktoren zu bauen

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Der französische Stromkonzern EDF will nach der Übernahme des größten britischen Atomstromanbieters British Energy vier angeblich besonders sichere Reaktoren in Großbritannien bauen. Ende 2017 solle dort der erste Europäische Druckwasserreaktor (EPR) ans Netz gehen, sagte EDF-Chef Pierre Gadonneix am Mittwoch in Paris. EDF hatte zuvor den Kauf von British Energy für rund 16 Milliarden Euro bekanntgegeben. EDF, das im Hochsommer mit einem ersten Übernahmeanlauf gescheitert war, hatte sein Gebot noch einmal erhöht und sich mit dem Konkurrenten auf die Fusion geeinigt. Die Briten haben 8 der 10 gegenwärtig in Betrieb befindlichen AKWs auf der Insel.

Mit dem EPR will Hersteller Aréva Kraftwerke weltweit erneuern. Über die 34-Prozent-Beteiligung von Siemens an Aréva wird auch die deutsche Atomindustrie zu den Profiteuren der atomaren Renaissance in Großbritannien gehören.

Ein Exemplar des EPR, der bislang nirgends auf der Welt im Betrieb ist, wird im Augenblick in Finnland gebaut. Die finnische Baustelle ist schon jetzt ein Milliardengrab. Ein anderer EPR entsteht in Frankreich. Zwei weitere EPRs hat Präsident Nicolas Sarkozy bei seinem letzten Staatsbesuch nach China verkauft.

EDF – in Europa längst der größte Stromerzeuger – befindet sich seit Jahren weltweit auf Expansionskurs. Neben Großbritannien hat der Konzern drei weitere Märkte im Visier: die USA, China und Südafrika. Nachdem ein Einstiegsversuch von EDF in den USA (bei Constellation Energy) in diesem Sommer gescheitert ist, setzen die Franzosen als Nächstes auf den südafrikanischen Markt.

In Frankreich betreibt EDF mit 58 AKWs den dichtesten Atompark der Welt. Auf dem EDF-Standort Tricastin, südlich von Lyon, ist es in diesem Sommer zu einer Serie von Pannen gekommen. Zuletzt verklemmten sich am 9. September zwei Brennstäbe (à 800 Kilogramm) bei der Entladung eines Reaktorkerns. Bis Redaktionschluss war das Problem noch nicht gelöst. EDF hat Roboter aus den USA angefordert, um die Brennstäbe zu entsorgen. Laut dem atomkritischen Netzwerk Sortir du Nucléaire hat die örtliche Feuerwehr Evakuierungspläne für die umgebenden Gemeinden des AKW erstellt, falls sich die Brennelemente unkontrolliert entwickeln. EDF dementiert, dass es Gefahren für die Anwohner gebe.

Die Annäherung an die British Energy sorgt in Paris für unterschiedliche Reaktionen. Die Oppositionspartei PS und die Gewerkschaften kritisieren den Übernahmepreis. Bei einer Abstimmung im Verwaltungsrat von EDF enthielten sich am Dienstagabend Vertreter der Beschäftigten. „Auch wir wollen das Unternehmen ausbauen und den Atomsektor entwickeln“, erklärt einer von ihnen, Jacky Chorin, „aber dieser Preis ist viel zu hoch. Und wir befürchten, dass EDF jetzt seine Beschäftigten und seine Kunden zur Kasse bittet, um die Rechnung zu begleichen.“ (mit dpa)

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