„Schön + lecker = happy“

Das Geschmackszentrum meldet „Kitsch“, in der rechten Gehirnhälfte macht sich nach und nach ein Hintergedanke breit: In der Ausstellung „Papatki“ vereinen sich Süßigkeiten und Silikon zu intelligenten Objekt-Collagen

Erster Blick: Kitsch. Schreiend greller, bunter Kitsch. Anmaßend schrill bohrt sich dessen Reflexion mit Lichtgeschwindigkeit durchs Auge über vibrierende Nervenrezeptoren hinein ins Hirn, das sogleich Signale an das Geschmackszentrum sendet. Unvermeidlich vermehrte Speichelbildung im Rachenraum – Pawlowscher Reflex: Der Zahn tropft ob des farbigen, kulinarisch angerichteten Gummikonfekts, das den so genannten „Kitsch“ ausmacht. Unter anderem.

Zweiter Blick: Während die Zunge noch lüstern die Lippen leckt (und sich ärgert, dass es sich hierbei nicht um Kunst zum Essen handelt), erwacht langsam der Sinn fürs Wesentliche – irgendwo in der rechten Hirnhälfte womöglich. In diesem Falle soll er einfach Hintergedanke heißen. Spielzeug assoziiert nämlich plötzlich warme Kindheitserinnerungen. Puppenköpfe, Plastiktiere, Matchbox-Autos, Spieluhr. Schön! Da möchte man doch nochmal in seiner alten Spielzeugkiste kramen.

Dritter Blick: allmähliche Wahrnehmung des Ganzen: Objekt-Collagen aus Süßkram, Spielzeug, Alltagsgegenständen wie Korken, Bierkronen, Kerzen, Reißzwecken und Zeitungsausschnitten – teilweise eingebettet und zusammengehalten durch Kunststoff oder Wachs.

Der vierte Blick: maßloses Erstaunen. Nichts ist hier unschuldig, rein oder heil. Was sich nun zeigt, ist die harte Realität einer Erwachsenenwelt: Sex, Pornografie, Gewalt, Macht, Krieg, Armut, Süchte. Jedes Objekt scheint aus einem Guss, trotz der Stapelung verschiedenster Motive.

Erkenntnis: Nichts ist, wie es auf den ersten Blicks zu sein scheint; der Appetit auf Leckeres nunmehr vergangen. Dafür ist allerdings der Blick für das Detail geschärft, das Auge mag gar nicht mehr aufhören zu entdecken. Diese intelligente Kombination des Angenehmen (Süßes, Kinderspielzeug) mit eher unangenehmen, verdrängten Wahrheiten hat etwas Bestechendes.

„Papatki“ ist der eigenwillige Name für diese seltsam anmutenden Kunstwerke, die kreiert worden sind von Gosia Hejnat und Ulrik Happy Dannenberg. Papatki bedeute nicht anderes als „Spielzeug für Erwachsene“, erklärt die 30-jährige Gosia Hejnat, die am liebsten erotisch-pornografische Klischees als Ausdrucksmittel für ihre Collagen nutzt. Der Titel sei eine Art Lockmittel, ergänzt Ulrik Happy Dannenberg, dessen Kunstcredo lautet: „Schön + lecker = happy“. Ob das wohl ironisch gemeint ist? Der 39-Jährige Neubremer ist hier der „Bonbon-Spezialist“. Denn Süßigkeiten sind neben Gießharz und Silikon seine bevorzugten Arbeitsmaterialien.

Die Idee zu diesen gemeinschaftlichen „Bastelarbeiten“ wurde übrigens in einem feucht-fröhlichen Zustand beider geboren. Des Abends weinselig am Tische sitzend habe man aus Korken, Teelichtern und was sich sonst noch so fand die erste Skulptur gebaut, plaudert Gosia Hejnat in glucksender Erinnerung. Das habe soviel Spaß gemacht, dass man es später ernsthafter betrieb.

Daniela Barth

bis 9. März im Pavillon des Gerhard-Marcks-Hauses. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr