Hinter den Kulissen der sozialen Stadt

Die Schader-Stiftung vergibt heute in Berlin einen Preis für besonderes soziales Engagement. Selbst würde sie aber wahrscheinlich nicht zu den Preisträgern gehören. Sie hat ein alternatives Wohnprojekt kurzfristig vor die Tür gesetzt

Wenn heute im Kulturhaus Wabe in Prenzlauer Berg die Preise im bundesweiten Wettbewerb „Soziale Stadt“ verliehen werden, nehmen Gewinner zwar kein Geld mit nach Hause. Das Prestige, das für Stadtbezirke, Wohnprojekte und Vereine mit der Preisverleihung einhergeht, vereinfacht aber die Suche nach Fördermitteln und Investoren. 17 Projekte aus sechs Bundesländern, darunter auch aus Berlin, wurden unter über 200 Bewerbern ausgesucht, ließen die Preisauslober vorab mitteilen. „Ganzheitlichkeit, Innovation, Nachhaltigkeit und ein optimales Verhältnis zwischen Kosten und Nutzen“ seien die Auswahlkriterien für die Preisträger und diejenigen gewesen, die mit einer so genannten Anerkennung ausgezeichnet werden, so ein Sprecher der Geschäftsstelle des Wettbewerbs.

Doch zwischen dem Nimbus des sozialen Engagements, mit dem sich die Auslober des Preises umgeben, und der Praxis klaffen Welten. Beispielsweise im Fall der Darmstädter Schader-Stiftung, die neben der Arbeiterwohlfahrt und dem Deutschen Städtetag zu den sechs Auslobern des Preises gehört. Seit einem knappen Jahr ist die Stiftung als Eigentümerin in eine heftige Auseinandersetzung mit dem alternativen Wohnprojekt „Assenland“ in Frankfurt am Main verwickelt. Die Angelegenheit beschäftigt längst nicht mehr nur den Ortsbeirat des Stadtteils Rödelheim, wo das Wohnprojekt seit 1987 in einem denkmalgeschützten Haus der Schader-Stiftung zu Hause ist. Der Umgang mit den fünfzehn Bewohnern von „Assenland“ hat nach Informationen der taz auch zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb des mit ehemaligen Wohnungsbau-Staatssekretären und Architekturprofessoren hochkarätig besetzten Stiftungskuratoriums geführt. Während sich dessen elf Mitglieder noch darüber streiten, wie der Widerspruch zwischen der Sicherung des Stiftungsvermögens und den sozialen Zwecken der Stiftung gelöst werden soll, hat die Geschäftsführung längst Fakten geschaffen: Dem Verein „Assenland“ wurde zum 31. Dezember 2002 gekündigt. Noch am 30. Dezember erhielten die Bewohner die Ankündigung, dass ab dem 10. Januar das Räumungsverfahren betrieben würde.

Vorausgegangen waren Verhandlungen, in denen der Verein rund 315.000 Euro für das baufällige Haus bot – laut Gutachten des Denkmalschutzamtes der Verkehrswert für das knapp 350 Quadratmeter große Gebäude mit Garten. Die Schader-Stiftung verlangte jedoch 600.000 Euro und ließ die Verhandlungen mit dem Hinweis scheitern, ein bislang anonymer Käufer sei bereit, den gewünschten Preis für ein leer stehendes Haus zu zahlen.

Den 15 Bewohnern des „Assenlands“ bot die Stiftung den Umzug in drei Wohnungen in einem benachbarten Hochhaus an. „Dieses Angebot hat nichts mit sozialem, kollektiven Leben und Wohnen zu tun“, sagt Sandra Markgraf vom Verein „Assenland“. Sie kann dem drohenden Rechtsstreit mit der Schader-Stiftung auch Positives abgewinnen: „Dann müsste ein Gericht erst einmal klären, ob der Gewerbemietvertrag, den die Stiftung uns gegeben hat, tatsächlich gültig ist“, so Markgraf. Die gerade ausgesprochene Kündigung wäre hinfällig, falls die Richter auf ein normales Wohnmietverhältnis erkennen würden. Auch die Argumentation der Stiftungsgeschäftsführung, man müsse nun mal die Gewinne der Stiftung maximieren, will Markgraf nicht gelten lassen. Schließlich hätten die „Assenland-Bewohner“ in den vergangenen Jahren rund 400.000 Euro Miete an die Stiftung gezahlt. „Die Schader-Stiftung wird sich an uns die Zähne ausbeißen“, kündigt sie an. HEIKE KLEFFNER