Sauberer Fernsehabend

Wer für heute mit dem Putzen fertig ist, darf sich zur Belohnung gleich drei Filme zum Thema „Der letzte Dreck“ ansehen. Hier geht es fast drei Stunden lang ums Reinigen an sich (ab 22.35 Uhr, Arte)

von KIRSTEN KÜPPERS

Das Problem hängt in den Möbeln, in der Luft, es klebt an den Menschen. Es wartet im Waschbecken oder liegt auf dem Boden. Das Problem ist der Schmutz.

Die Beseitigung desselben frustriert viele. Manche gehen deswegen zur Eheberatung, einige haben das Putzen ganz aus ihrem Leben gestrichen. Das Verhältnis zur Sauberkeit ist eine individuelle Frage. Beim Putzen werden Geschlechter- und Generationenkonflikte ausgetragen, Geisteshaltungen und soziale Hierarchien verhandelt.

Unter dem hübschen Titel „Der letzte Dreck“ räumt jetzt Arte auf: In den drei Beiträgen laufen viele, viele putzende Frauen und wenige putzende Männer über den Bildschirm. Für ihren Dokumentarfilm „Der Dreck muss weg!“ (22.35 Uhr) hat die Regisseurin Marita Neher beispielsweise diverse Haushalte mit unterschiedlichem Putzverhalten in Deutschland und Frankreich besucht. Jetzt führt sie viele Klischees vor: die putzsüchtige Hausfrau aus Schwaben, die sich freut, dass man bei ihr vom Fußboden essen kann, genauso wie die Berliner WG im Streit ums „kreative Chaos“.

Trotz eines französischen Soziologen mit einem imposanten Schnurrbart, der den roten Faden zur Handlung liefern soll, bleibt Nehers Film allerdings weitgehend in anekdotischen Halbsätzen stecken. Der Soziologe liefert die überraschende Neuigkeit, dass Frauen keinesfalls zum Putzen genetisch vorbestimmt sind, während im nächsten Bild ein sympathischer Tscheche die Vorteile osteuropäischer Scheuermittel preist.

Auch wenn sich dem Zuschauer dabei kein tieferer Sinnzusammenhang erschließt, kann ein solches Durcheinander von Szenen dennoch unterhaltsam sein. Wie bei der 92-Jährigen, die erklärt, warum die meisten Rentner im Dunkeln leben. „Weil die antiken Möbel so lichtempfindlich sind“, sagt die alte Dame. „Wenn die junge Generation zu Besuch kommt, rufen sie immer: ‚Hier muss Licht rein‘. Wir alten Leute lächeln leise vor uns hin, ziehen die Vorhänge auf, aber wenn sie weg sind, machen wir es ganz schnell wieder dunkel.“

Weiter geht es mit „Ménage“ (23.30 Uhr), einem bösen kleinen Film aus Frankreich. Er dreht sich um Realitätsverschiebung und Kontrollverlust – wie das Phänomen, dass ein sauberer Couchtisch wichtiger wird als der Nervenzusammenbruch der suizidgefährdeten Freundin.

„Domesticas“ (23.40) dagegen ist ein wirklich wunderbar heiterer Film aus Brasilien. Die fünf putzenden Protagonistinnen stehen stellvertretend für die mehr als drei Millionen Frauen, die in Brasilien in der Reinigungsbranche arbeiten. Vor dem Hintergrund demütigender Arbeitsbedingungen durchlebt man gemeinsam mit den Heldinnen traurige und glückliche Liebesgeschichten, Karriereversuche und Diskobesuche. Mit der Ausstrahlung von „Domesticas“ schickt Arte viel Sonne in den deutsch-französischen TV-Winter. Doch irgendwann nach rund 154 Minuten Themenabend ist man müde. Und hat das Gefühl, man sollte mal wieder die Wohnung putzen.