: Der weggerechnete Intendant
Als er 2002 zum Gründungsintendanten der neuen Essener Philharmonie gewählt wurde, wusste Michael Kaufmann, dass kein leichter Job auf ihn wartet. Das Haus war noch Baustelle. Aufwendig wurde der alte „Saalbau“ in der Innenstadt zu einer neuen Konzerthalle veredelt. Dennoch gelang es Kaufmann, den Essenern große Dirigenten und musikalische Leckerbissen zu präsentieren. Nun dankt ihm der Aufsichtsrat dies mit einer fristlosen Kündigung – angeblich wegen wiederholter Etatüberschreitungen. Charmanterweise erfuhr Kaufmann von seiner Kündigung aus der Presse.
Die Sponsoren reagierten wütend und warfen der Lokalpolitik eine „Schmierenkomödie“ vor. 15 Monate vor Beginn des Kulturhauptstadtjahres steht die Philharmonie nun ohne künstlerischen Leiter da. Mit ihrer Einweihung 2004 war die Funktion der Betreibergesellschaft deutlich umrissen: Sie sollte Pilotfunktion für den Klassiksektor entwickeln, „Bewährtes“, das die Kassen zu füllen verspricht, war mit innovativen, auch avantgardistischen Programm-Segmenten zu ergänzen. Denn ringsherum lauert die Konkurrenz.
Kaufmann brachte beste Voraussetzungen mit. Der 1961 in Heidenheim geborene Kulturmanager übernahm bereits 1982 die Leitung des Landesjugendorchesters Baden-Württemberg. Danach war er bei den Ludwigsburger Festspielen tätig und als Impresario von Ute Lemper. Er qualifizierte sich beim Deutschlandfunk sowie als Direktor des Kölner Gürzenich Orchesters.
Kaufmann verstand es, der Essener Philharmonie ein beachtliches Profil zu verschaffen. Etwa mit der Verpflichtung des schrägen Österreichers HK Gruber und des aus dem Halbschatten geholten Wiener Altmeisters Friedrich Cerha, aber auch mit der Erstaufführung eines größeren Jugendwerks von Felix Mendelssohn.
Doch der Aufsichtrat hatte wenig Geduld mit ihm – das heißt die Mehrheit der Vertreter von CDU und Grünen. In der Kündigungsbegründung wird ihm ein Defizit von bis zu 1,5 Millionen Euro angelastet. Ausstehende Gelder von Sponsoren wurden bei der polemischen Aufrechnung nicht berücksichtigt. Kaum zu übersehen ist, dass der konservativen Kreisen zu „sperrige“ Kaufmann noch im Vorfeld der Aktivitäten im Rahmen der „Kulturhauptstadt Europas 2010“ durch einen pflegeleichteren Manager ausgewechselt werden soll.
Längst ist da ein großer Interessenverbund am Werk – unter Regie des Ex-WDR-Intendanten Fritz Pleitgen. Offenbar störte Kaufmann den intendierten Einklang. Doch er will sich wehren und hat schon Rechtsanwälte zu Rate gezogen.
FRIEDER REININGHAUS
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