Gedränge im Durchlauferhitzer

Arbeitsgericht verhandelt im Streit um einen Erholungsbonus nur für Mitglieder der Gewerkschaft Ver.di – 400 HHLA-Beschäftigte begleiten das Verfahren im und vor dem Gerichtsgebäude

Richterin Bellasio zieht die Notbremse: Sie vertagt die Entscheidung

VON KAI VON APPEN

Ungewöhnliches Szenario anlässlich eines Gütetermins: 400 Beschäftigte der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) haben sich Donnerstagmittag in ihren quitte-grünen Arbeitskluften vor dem Backsteingebäude des Hamburger Arbeitsgerichtes versammelt. Anwesend sind neben Hamburgs SPD-Chef Ingo Egloff und der Linkspartei-Bürgerschaftsabgeordneten Kersten Artus auch Hafenarbeiter-Delegationen aus Bremen, Bremerhaven, Lübeck und Rostock: Was vor Gericht zwischen HHLA und der Gewerkschaft Ver.di verhandelt werde, sagt Andreas Bergemann, Fachgruppenleiter Häfen der Gewerkschaft Ver.di, „hat Bedeutung für alle Häfen“.

Zankapfel ist die so genannte „Vorteilsregelung“ für Ver.di-Mitglieder, die die Gewerkschaft sowohl mit dem Zentralverband der Seehäfen als auch im HHLA-Haustarif festgeschrieben hat. Die Klausel besagt, dass nur Ver.di-Mitgliedern ein Erholungsbonus von jährlich 260 Euro zusteht. Für Ver.di-Landeschef Wolfgang Rose ist dieser Bonus eher ein „Nachteilsausgleich“ für aktive GewerkschafterInnen gegenüber jenen „Trittbrettfahrern“, die sich Tarifkonflikte zum Nulltarif „von der Zuschauertribüne ansehen und anschließend über das schlechte Ergebnis meckern“. Der HHLA-Vorstand soll die Regelung auf Weisung der Stadt, die die Mehrheit am Hafenbetrieb hält, nun für unwirksam erklären lassen.

Drinnen in Saal 112 herrscht Gedränge: „Ihnen ist allen klar, dass heute nichts aufregendes passiert“, sagt Richterin Sabrina Bellasio gleich zu Beginn in Anspielung auf die verhärteten Fronten. HHLA-Anwalt Andreas Walle wiederholt mehrfach sein Argument, wenn der Erholungsbonus „Nicht-Ver.di-Mitgliedern“ vorenthalten bliebe, werde das „Gerechtigkeitsempfinden“ verletzt. Zudem würden nicht gewerkschaftlich organisierte Mitarbeiter „inadäquat unter Druck“ gesetzt, Ver.di beizutreten.

„Sie dürfen ja zahlen, sie müssen nur den Ver.di-Mitgliedern dann noch was draufzahlen“ bringt Bellasio ihre Auffassung zum Ausdruck. Und Helmut Platow, Anwalt für Ver.di führt aus, es könne nicht sein, dass „eine tarifvertragschließende Partei etwas unterschreibt und danach sagt: ‚Das ist rechtswidrig“‘.

Als beide Parteien mit dem Gang zum Bundesarbeitsgericht (BAG) drohen, zieht Bellasio die Notbremse: Sie vertagt die Entscheidung auf Januar. „Ich hatte schon geahnt“, sagt die Richterin, „dass wir hier nur der Durchlauferhitzer sind.“

Anwalt Platow gibt sich im Anschluss zuversichtlich: Beim BAG laufe nach der Zulassung christlicher Gewerkschaften eine Rechtsdebatte, um den „Wettstreit zwischen den Gewerkschaften“ zu forcieren, erklärt er den wartenden HHLA-Beschäftigten. Das Gericht warte „nur darauf, dass bei ihnen ein Fall wie dieser zur Entscheidung auf dem Tisch landet“.