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: Im Schwitzkasten

Wie eine Welle bewegt sich die Menschentraube auf dem Vorplatz des S-Bahnhofs in Stellingen voran. Den Menschen, die sich in dieser Ansammlung befinden, ist diese Situation schon lange bekannt und sie bewegen sich kontrolliert langsam in Richtung des Bahnsteigs.

Im Fünf-Minuten-Takt rollen die roten Züge ein und die wartenden Leute werden von den von hinten Schiebenden in die Waggons gepresst. Immer mehr Menschen strömen auf den Vorplatz und reihen sich ein. „Gibt’s was umsonst?“, fragt ein Schaulustiger und schüttelt den Kopf.

Im Waggon ist es stickig. „Macht alle Fenster auf“, ruft eine tiefe Stimme aus einer Ecke. Wie in eine Sardinendose gepresst stehen Männer und Frauen, Kinder und Rentner aneinander – mit jeder Sekunde erhöht sich die Raumtemperatur. Es riecht nach Schweiß und Bier.

Wer nicht aufpasst, bekommt auch gleich beim Anfahren eine kleine Bierdusche ab, denn die betrunkenen Fahrgäste haben ihre Bierbecher aus dem Stadion mit in die Bahn genommen und stehen selbst nicht mehr besonders fest auf ihren Füssen.

In Langenfelde gehen langsam die Waggontüren auf. Um sich etwas Platz zu verschaffen, stimmen drei Fußballfans lauthals ein: „Zicke, zacke. Zicke, zacke. Raus! Raus! Raus!“ Und während sie herumgrölen, werden die Fahrgäste, die in der Nähe der Tür stehen unsanft auf den Bahnsteig geschubst – Widerstand zwecklos! Einen Wagon weiter beginnt eine Gruppe Fans zu hüpfen und im Takt zum eigenen Gesang mit den Händen an die Fenster zu klopfen.

„Chaoten, alles Chaoten“, schimpft eine Frau. „So ist es doch immer, wenn Heimspiel ist“, antwortet ihr Mann. Zwei Stationen später steigen sie aus. „Endlich draußen aus dem Schwitzkasten“, ruft sie.

JULIAN KÖNIG