Union will Kriegsbeteiligung herbeistimmen

Die Opposition könnte Rot-Grün mit einer Bundestagsentscheidung zu Awacs-Einsätzen in die Klemme bringen

BERLIN taz ■ Auf Gerhard Schröders längster Pressekonferenz im neuen Jahr („Ich habe Zeit!“) ging die brisanteste Ankündigung fast unter. Weitgehend unbemerkt hat der Bundeskanzler am Dienstag zum ersten Mal die Grenze der deutschen Unterstützung für die USA in einem Irakkrieg definiert. Es ist seine Trennlinie zwischen Kriegsverweigerung und -beteiligung, zwischen Wahlversprechen und Wahlbetrug. Genau über diese Linie möchte die Opposition von CDU und CSU ihn nun treiben.

Schröder sagte: „Militärische Maßnahmen sind militärische Maßnahmen. Darüber zu theoretisieren, empfiehlt sich nicht. Wenn Sie eine abstrakte Grenze gezogen haben wollen, dann liegt die doch da, wo eine Regierung in den Deutschen Bundestag müsste; denn da liegt ja die verfassungsmäßige Grenze.“ Sobald also die Regierung die Zustimmung des Parlaments zu einem Militäreinsatz bräuchte, liegt auch nach Schröders Verständnis eine Kriegsbeteiligung vor. Nach Ansicht der Unionsfraktion kommt der Kanzler um eine Abstimmung im Bundestag allerdings nicht herum, denn im November sagte er den USA bereits die Nutzung von Awacs-Flugzeugen zu, sofern die Maschinen nur über Nato-Bündnisgebiet zum Einsatz kommen. Ein Drittel der Awacs-Besatzungen besteht aus Bundeswehrsoldaten. Friedbert Pflüger, Außenpolitiker der CDU/CSU-Fraktion, sagte gestern der taz: „Ein Awacs-Einsatz über der Türkei im Fall eines Irakkriegs ist eine Sache des Bundestages.“ CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer hatte auf taz-Nachfrage bereits bei der Vorstandsklausur seiner Partei am vergangenen Wochenende in Göttingen erklärt: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir für Awacs einen Bundestagsbeschluss brauchen.“ Pflüger kündigte an: „Wir werden darauf bestehen als Union, wir werden der Regierung nicht ersparen, Flagge zu zeigen.“

Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sprach dagegen von einem „durchsichtigen Versuch der Union, der Koalition eine Kriegsbeteiligung unterzuschieben“. In der Koalition hatte es im Herbst längere Diskussionen um mögliche Awacs-Einsätze gegeben. Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer hatte den Streit schließlich mit dem Hinweis für beendet erklärt, die Maschinen über der Türkei dienten nur dem Schutz des Luftraums. Bütikofers Kollegin Angelika Beer bekräftigte: „Alles, was über das Nato-Gebiet hinausgeht, ist absolutes Tabu.“

Pflüger zeigt sich davon unbeeindruckt: „Unsere Juristen sagen, es ist eine klare Rechtslage.“ Technisch seien die Awacs so ausgerüstet, dass sie auch von türkischem Luftraum aus Aufklärung im Irak betreiben sowie Feuerleitfunktionen übernehmen könnten, also etwa Kampfflieger ins Ziel dirigieren.“ Der Unionsmann beruft sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994, als Karlsruhe ein Bundestagsmandat ausdrücklich vorschrieb – auf Antrag der damaligen SPD-Opposition.

PATRIK SCHWARZ