vorlauf
: Unbemerkte Kandidaten

„Wahlkämpfer“ (So., 21.45 Uhr, 3sat)

Er übt das Ich-Sagen: „Mein Name ist David Eckel. Ich bin 22 Jahre alt und studiere Politik.“ Doch seine Persönlichkeitstrainerin ist unzufrieden mit ihm. Zu leise rede er. Zu monoton. „Vielleicht machst du auch mal eine Bewegung nach vorn.“ David lächelt unsicher. Und probiert es noch einmal.

Denn nach vorn möchte er gern, der biedere Helmut-Kohl-Fan. Weg vom schwer erträglichen Ist-Zustand!

Danach streben auch die beiden anderen Figuren in den filmischen Kurzporträts junger, unbekannter Kandidaten bei der Bundestagswahl im September: Die radikale Ökologin Monika M. möchte die Welt retten. Wie sich herausstellt, meint sie mit dem großen Anspruch eigentlich sich selbst.

Und schließlich ist da der pedantische Ex-NVA-Soldat Norbert Krajewski. Er betreut den Wahlkampf der KPD und scheitert an dem, was er selbst die „objektive Realität“ nennen würde. Der orthodoxe Kommunismus entfaltet derzeit wenig Anziehungskraft.

Die Filmemacher – Studenten an der Berliner Film- und Fernsehakademie – erzählen, wie private Unzufriedenheit in politisches Handeln übersetzt wird. Die alte linke Losung, dass das Private politisch sei, wird hier neu belebt. Jedoch nicht als dogmatische Handlungsanweisung, sondern als Normalform des Lebens. Keiner kann aus seiner Haut.

Was die Kurzfilme sehenswert macht, ist, mit welch unterschiedlichen Stilmitteln die jungen Dokumentarfilmer ihre Hauptfiguren präsentieren. CDU-Mann Eckel bekommt ein liberales Gegenüber, um ihn zum Reden zu bringen. Monika M. scheint nur auf die Kamera gewartet zu haben, auf ein Publikum für ihre Selbstinszenierungen. Minutenlang faltet der Kommunist Krajewski kleine rote Broschüren. Und schweigt dabei. Jede Figur darf auf ihre eigene Art sprechen.

Und Eckel versteckt in einem politisch gemeinten Satz das, was ihn zum CDU-Wahlkämpfer macht. „Ich finde es wichtig, dass man eine Leitkultur hat, von der man sich leiten lassen kann.“ Wer sich einer Sache ganz verschreibt, muss eben nicht laut und deutlich „ich“ sagen können. Ehrlicher wäre es aber doch. MATTHIAS BRAUN