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: Lebendige Überwachungskamera

Während ich die Rolltreppe zum Jungfernstieg hochfahre, drehe ich mich kurz um. „Gut, keiner hinter mir“, denke ich und richte schnell meinen Schritt. Den Blick wieder nach vorne gewandt schaue ich direkt in eine Kamera. Dahinter ist noch eine und ein paar Meter um die Ecke sind ebenfalls einige Kameras. „Kann man denn nirgendwo in der Stadt unbeobachtet den Schritt richten?“, frage ich mich.

Überwachungskameras sind in Bahnhöfen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Supermärkten und unzähligen weiteren Orten angebracht. „Und allen ist es egal“, motze ich einen vorbeilaufenden Passanten an, der die Überwachung ignoriert. Dann stelle ich mich direkt unter eine Kamera, richte mich nach ihr aus und starre auf die Rolltreppe.

Penetrant glotze ich nun alle Passanten an, die mir auf der Rolltreppe entgegen fahren. Ein Pärchen knutscht wild und hört augenblicklich auf, als sie mich entdecken. „Spanner“, ruft der Mann mir zu. Keine Minute später beobachte ich, wie sich jemand in der Nase bohrt und den Finger anschließend in den Mund steckt. Beschämt wendet er den Blick nach unten, als er mich sieht.

Die Leute fühlen sich beobachtet, reagieren verstört oder zeigen mir den Vogel. Dann spricht mich einer an. „Bist du nicht ganz dicht oder warum stehst du hier rum?“, fragt er. Ich zeige nur stumm auf die Kamera direkt über meinem Kopf. „Die dient der Sicherheit, du aber bist ein Idiot“, sagt er - schon möglich! JULIAN KÖNIG