Online gegen Müll-Betrug

Weil angeblich zu viele Bremer keine Müllgebühren zahlen, wollen die Entsorgungsbetriebe jetzt online auf die Meldedaten zugreifen. Wie viel Geld der Datenabgleich in die Kassen spült, ist unklar

Wie viele Müllschummler es tatsächlich gibt, weiß niemand

taz ■ Müll produzieren, aber nicht für dessen Entsorgung zahlen – nach Ansicht der Bremer Entsorgungsbetriebe mbH (BEB) und der Abfall-ExpertInnen von CDU und SPD versuchen viel zu viele BremerInnen, auf diese Weise ihre Nebenkosten zu drücken. Der Trick: Bei der BEB werden weniger Müllproduzenten gemeldet, als tatsächlich im Haus wohnen. Um die SchummlerInnen zu enttarnen, soll nach dem Willen der Koalition die BEB in Zukunft online aufs Melderegister zugreifen dürfen. So könne sie mit weit weniger Aufwand als bisher überprüfen, ob Tonnengröße und Personenzahl übereinstimmen – Mehreinnahmen für die BEB ohne Müllgebühren-Erhöhung. Anfang Februar soll Landes-Datenschützer Sven Holst von dem Vorhaben überzeugt werden.

Schon heute fragt die BEB in Einzelfällen beim Meldeamt nach, wie viele Personen auf einem bestimmten Grundstück wohnen – etwa, wenn die Mülltonnen dort notorisch überfüllt sind. Das schriftliche Verfahren jedoch sei umständlich, sagt BEB-Sprecher Reinhard Holtin; die Zahl der Anfragen liege daher nur bei einigen Hundert pro Jahr.

Ob der komplette Datenabgleich für alle 150.000 Bremer Grundstücke, wie die BEB ihn plant, tatsächlich zu nennenswert höheren Einnahmen führt, weiß indes niemand. Rein rechnerisch stehen jedem Bremer bereits 40 Liter Restmülltonne zur Verfügung – zehn Liter mehr, als vorgeschrieben. Kleinere Gewerbebetriebe sind darin allerdings mit eingerechnet. Stichproben, auf wie vielen Grundstücken zu kleine Tonnen stehen, gibt es bisher nicht. Die Schätzungen, sagt Holtin, reichten von null bis zehn Prozent „Unterversorgung“. Datenschützer Sven Holst steht dem Vorhaben bislang reserviert gegenüber. Zwar müssten Eigenbetriebe wie die BEB, die mit staatlichen Aufgaben betraut sind, auch auf die notwendigen Daten zugreifen können. Trotzdem sei zu prüfen, ob und in welchem Umfang dies online nötig sei. Im Gegensatz nämlich zum jetzt praktizierten schriftlichen Verfahren müsse die BEB dann kein „berechtigtes Interesse“ für ihre Abfragen mehr nachweisen, sondern könnte die Daten nahezu unkontrolliert nutzen.

Kein Problem hätte Holst, wenn nur die Anzahl der auf einem Grundstück gemeldeten Personen online weitergegeben würde. Die Müllentsorger jedoch wollen mehr: Name, Anschrift, Geburts- und Sterbedatum stehen auf ihrem Wunschzettel. Nur so könne die BEB ohne übergroßen Aufwand herausfinden, wie viele Personen in jeder Wohnung wohnen, und die Anschrift der zahlungspflichtigen Eigentümer ermitteln, begründet Sprecher Holtin den Wunsch nach Zugriff aufs Melderegister. Probleme sieht er darin nicht: „Das sind ja keine geheimen Daten.“

Einen ersten Versuch, Licht ins Dunkel der Müll-Anmeldungen zu bringen, starteten die Bremer Müllmänner übrigens schon Ende der 70er-Jahre. Damals sollten Scharen von Müll-Ermittlern von Tür zu Tür ziehen und die Bewohnerzahl mit der Tonnengröße vergleichen. Böse Zungen behaupten, namhafte Politiker hätten befürchtet, als Müll-Schummler enttarnt zu werden. „Das Projekt wurde politisch gestoppt“, sagt Holtin.

Armin Simon