Der starke Alte im Vorhof der Macht

Der Chefredakteur und Herausgeber der „Kronen-Zeitung“, Hans Dichand, rüstet sich zum Kampf gegen die WAZ

Wenn ein Unternehmen schon Kronen-Zeitung heißt, ist es nur natürlich, dass es monarchisch regiert wird. So hält es Hans Dichand, Chefredakteur und Herausgeber der Neuen Kronen-Zeitung, für sein gutes Recht, die Chefredaktion des größten Boulevardblatts Österreichs zum 1. Februar an seinen jüngsten Sohn Christoph zu übergeben. Mit seinen 82 Jahren will er sich aus dem aktuellen Tagesgeschäft zurückziehen.

Diese dynastische Nachfolgeregelung will die deutsche WAZ-Gruppe, zur Hälfte Eigner des Blattes, nicht hinnehmen. Erich Schumann, geschäftsführender Gesellschafter der WAZ-Gruppe, hält den 37-jährigen Christoph Dichand für ungeeignet und will einen Mann seiner Wahl installieren. Notfalls per Gericht.

Hans Dichand, sonst eher medienscheu, ist seither fast täglich in Fernsehen und Presse. Nur in der Krone steht kein Wort über den Zwist. Dichand sieht dem Krieg mit seinen Teilhabern gelassen entgegen. Er hat schon viele Kriege ausgefochten und fast alle gewonnen. Sein ehemaliger Teilhaber Kurt Falk, der in den 80ern mit Täglich alles ein buntes Konkurrenzprodukt gründete, hielt den Kampf um die Herzen der funktionellen Analphabeten nur wenige Jahre durch. Mancher Minister, den Dichand partout nicht haben wollte, wurde von der Krone so lange unter Beschuss genommen, bis er aufgab. „Persönlich habe ich nichts gegen Caspar Einem“, erklärte Dichand einmal, „ich habe nur etwas gegen Einem als Innenminister.“

„Der Platz des Journalisten ist im Vorhof der Macht“, ist ein gerne zitierter Ausspruch des kultivierten Verlegers und Kunstsammlers, der aber zugibt, dass er selbst nicht ganz ohne Macht sei. „Hans Dichand ist der Präsident von Österreich. Er hat Macht, wie ich sie noch nie gesehen habe“, sagte die belgische Journalistin Natalie Borgers, der für eine Filmdokumentation monatelang alle Türen in der Kronen-Zeitung geöffnet wurden. Das Ergebnis – ein entwaffnendes Porträt einer gnadenlosen Manipulationsmaschinerie – ist im ORF noch nicht zu sehen gewesen.

Dichand verzeiht nicht: Der Kultursender Arte, der den Film letztes Jahr brachte, kommt im Fernsehprogramm der Krone nicht mehr vor. Macht sei „etwas Neutrales“, vertraute Dichand der Belgierin an. Sein Einfluss ist so neutral, dass es sich kein Politiker leisten kann, nicht auf ihn zu hören. Präsident Thomas Klestil lädt ihn regelmäßig zum Kaffee in die Hofburg. Jörg Haider hat seinen kometenhaften Aufstieg nicht zuletzt der Schützenhilfe der Krone zu verdanken.

Jetzt hat ihn Hans Dichand fallen lassen. Die FPÖ kommt in der Krone fast nur noch als Lachnummer vor. Der 1921 in Graz geborene Dichand, der 1954 nach Wien übersiedelte, wo er zunächst beim Kurier, dann bei der Kronen-Zeitung einstieg, sehnt sich zwar danach, endlich Zeit für seine reichhaltige Bibliothek zu haben. Doch an den Ruhestand denkt er nicht ernsthaft.

Ohne den „Alten“ geht in der Krone nichts. Er äußert seine Meinung nicht nur in Kommentaren unter dem Pseudonym Cato, er bestimmt auch die Aufmacher, motiviert seine Reporter, an die niedrigsten Instinkte der Leser zu appellieren, und sucht sogar die tägliche Nackte auf Seite 7 aus. Auch wenn sein Spross pro forma Chefredakteur werden sollte, will er weiterarbeiten, „wahrscheinlich, bis ich tot umfalle“. RALF LEONHARD