Mann schreibt, Frau stirbt

Paul Auster hat viel Übung darin, selbstironisch das eigene Schaffen zu umreißen. Der Meister des metaphysischen Detektivromans stellte in Berlin seinen neuen Roman „Man in the Dark“ und einen Film vor, bei dem er Regie führte

„Nun“, sagt Paul Auster auf die Frage, wie sich sein neuester und der Roman davor zueinander verhielten, „‚Man in the Dark‘ handelt von einem Mann in einem Zimmer und spielt in einer einzigen Nacht. ‚Travels in the Scriptorium‘ handelt von einem Mann in einem Zimmer und spielt an einem einzigen Tag.“

Ein wohlwollendes, braves Lachen, ein typisches Lesungs-Fragerunden-Lachen trägt ihm das im großen Saal des Babylon ein; hier hat Auster gerade seinen Film „The Inner Life of Martin Frost“ vorgestellt. Auster hat viel Übung darin, auch doofe Fragen charmant zu beantworten, kokett und selbstironisch das eigene Schaffen zu umreißen, nebenbei der zunehmend murrenden Kritikerschaft den Wind aus den Segeln zu nehmen und elegant wie kein Zweiter die übereinandergeschlagenen Beine zu wechseln. Weil seine Protagonisten fast ausschließlich Schriftsteller sind, die sich wiederum selber in den Grenzbereichen zwischen Realität und Fiktion bewegen, kommt man manchmal nicht umhin, Auster gewissermaßen als Figur aus einem seiner eigenen Bücher zu lesen.

Dass er alt und müde geworden sei, schrieb vor kurzem die New York Times; das merke man nicht zuletzt daran, dass die Protagonisten seiner letzten Werke allesamt Fälle für die Geriatrie wären und er sich in seinem Schreiben nur noch selbst kopiere. Tatsächlich sind es immer wieder die gleichen Typen und Motive, die in Austers Werken vorkommen; jemand verschwindet, jemand sucht, jemand schreibt.

Dies ist aber eben auch Austers postmodernes Spiel, das Spiel mit Namen und Figuren, die zwischen den Geschichten zirkulieren – und Paul Auster beherrscht es immer noch besser als alle anderen, die sich darin versuchen. Die Handlung von „The Inner Life of Martin Frost“ ist ein Subplot innerhalb von Austers „Book of Illusions“ – zuerst existierte allerdings die Filmidee, die Auster dann für das Buch in Prosa umschrieb, um am Ende doch einen eigenen Film daraus zu machen, bei dem er auch Regie führte.

Vor dem Film von seinem Sitznachbarn gefragt, ob er schon wüsste, worum es geht, rät ein Besucher lakonisch: „Er schreibt, sie stirbt?“ Ganz so einfach ist es nicht, aber Paul Austers Männer-/Frauenbild ist damit schon mal ganz gut umrissen. Im Film hat der Protagonist Martin Frost (gespielt von David Thewlis) gerade einen neuen Roman begonnen, als eine unbekannte Frau in seinem Haus auftaucht, auf die der Fortgang seiner Geschichte einen merkwürdigen Einfluss hat – Claire scheint von einer Art Musen-Geheimorganisation geschickt zu sein.

Was als Plot recht beknackt klingt, aber von Austers Erzählstimme herausgerissen werden könnte – so denkt man –, geht leider im stümperhaften Einsatz der filmischen Mittel vollends zugrunde. Rückblenden in Schwarzweiß sind eine Sache. Rückblenden in Schwarzweiß und Zeitlupe, die mit pathetischen Violinparts untermalt sind und Nahaufnahmen von aus Swimmingpools auftauchenden Frauen enthalten, sind eine andere.

Es ist wohl kein Zufall, dass Auster an diesem Sonntagabend im Babylon und auch am darauffolgenden Tag, als er im Berliner Ensemble seinen Roman „Man in the Dark“ vorstellt, immer wieder auf das Verhältnis von Film und Text zu sprechen kommt: Der Film scheine ein Simulakrum der Realität zu sein, sagt er zum Beispiel, sei aber unglaublich künstlich durch all sein technisches Brimborium; als Zuschauer würde man einen Film außerdem in einer Art geistigen Passivität konsumieren, während man dem Buch „etwas zurückgeben muss“.

Im Theater legt Auster dann eine Art „Anti-Lesung“ hin, wie Conferencier Denis Scheck sagt; er liest diejenigen Stellen aus seinem Buch, in denen Filmszenen nacherzählt werden. „Man in the Dark“ spielt teils in einer Parallelwelt, in einem „anderen Amerika, in dem die Türme des World Trade Centers noch stehen“, wie Auster erzählt – das Publikum lässt ein mitfühlendes „Ah“ hören – ,„das sich allerdings in einem schweren Bürgerkrieg befindet“.

Natürlich muss sich Auster an beiden Abenden die Frage nach den Wahlen und Obama anhören. Er bleibt gelassen – bis Scheck anfängt, Interpretationen einzelner Textstellen abzufragen. „Ist das hier eine Allegorie auf das Lesen an sich?“ Da sinkt Auster ein wenig in sich zusammen, rüttelt mit beiden Händen am Tisch und sagt: „Du weißt doch sowieso, was du hören willst. Ich kann dazu nichts sagen. Writing is a mysterious business, Denis.“ DANA BÖNISCH