: Am Ende sind wir alle Obst
Joel Zwicks Komödie „My Big Fat Greek Wedding“ ist einer der kleinen Indiefilme, die wider Erwarten in US-amerikanischen Multiplex-Kinos sensationelle Erfolge feiern. Von Hollywoods Hochzeitsfilmen trennt ihn vor allem das niedrige Budget
von ANDREAS BUSCHE
Ich bin kein großer Verfechter des Konzepts Ehe. Von Verträgen halte ich generell nicht viel – ein ehrlich gemeinter Handschlag tut's auch. Einige meiner besten Freunde und Freundinnen haben Kinder, aber keine Ehefrauen oder -männer. Im Kontext eines bedeutungsüberladenen Zeremoniells klingt „Bis dass der Tod euch scheidet …“ auch nicht wie ein Gelöbnis, eher wie eine Drohung. Und der Trauungsakt ist in seiner Ritualhaftigkeit bereits ein kleiner Vorgeschmack auf die Routinen eines symbolisch reglementierten Alltags.
Hochzeiten sind heute doch nicht mehr als das Relikt einer längst vergangenen, patriarchalischen Ära: die Initiation der Frau als gesellschaftliches Subjekt. Aus diesem Grund pflegt Hollywood den Hochzeitsfilm auch noch mit solcher Sorgfalt. Was kann schon so erstrebenswert daran sein, seine Lebenskonzeption in eine Art symbolische Ordnung zu überführen? Der Gedanke daran scheint ein Zeichen fortschreitender Regression persönlicher Freiheiten, mit all seinen gesellschaftlichen Implikationen.
Um den Hollywood-Hochzeitsfilm habe ich bisher jedenfalls noch immer einen großen Bogen gemacht: „Four Weddings and a Funeral“, „Muriel's Wedding“, „My Best Friend's Wedding“, „The Wedding Planner“, „The Wedding Singer“ (obwohl ich mir den dann schließlich doch auf Video ausgeliehen habe, Adam Sandlers wegen), selbst Mira Nairs „Monsoon Wedding“. Jeder Film mit dem suspekten „W-Wort“. Jeder für sich ein süßlich-kitschiger Propagandafilm für ein Leben in gesellschaftlicher Ordnung (und darum kann auch die verfassungsrechtliche Homoehe genauso wenig Zeichen von Selbstbestimmung sein wie Frauen in der Bundeswehr).
„My Big Fat Greek Wedding“ war in Amerika im letzten Jahr der große Überraschungserfolg, eines dieser seltenen „Blair Witch“-Phänomene, wie sie laut Hollywood-Statistik alle paar Jahre vorkommen, aber trotzdem immer unvorhersehbar bleiben werden. Der kleine Indie-Film mit dem programmatischen Titel hält sich seit fast einem Jahr hartnäckig in amerikanischen Multiplex-Kinos, und das nicht nur in den Großstädten mit ethnisch diversifizierter Bevölkerung. Verhärtete Kritiker zeigen sich milde, und selbst Kritikerinnen kapitulieren – trotz regressiver Tendenzen im Frauenbild des Films – vor dem unbestreitbaren Charme. Man muss gar nicht so weit gehen, mit der 9/11-Argumentationskeule auszuholen; Filme wie „My Big Fat Greek Wedding“ hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben. Der sensationelle Erfolg gerade dieses Films hat andere Gründe als ein neu erwachtes, kollektives Schutzbedürfnis oder einen gesellschaftlichen Wertewandel. Nur bleiben sie mir auch nach Sichtung des Films noch schleierhaft.
Toula Portokalos (Nia Vardalos) hat nach eigenem Bekunden mit ihren 30 Jahren das Verfallsdatum längst überschritten. Wenn es nach ihrem Vater (Michael Constantine) ginge, könnte sie ihr ganzes Leben im Familienrestaurant schuften und sich schließlich wie ihre Schwester in eine (O-Ton Toula) „griechische Gebärmaschine“ verwandeln. Einen Mann hat sie auch noch nie gehabt, und man wird das Gefühl nicht los, dass der Film uns weismachen will, dass genau hier der Knackpunkt für ihre „Initiation“ zur Frau liege. Sie schafft es zwar mit Hilfe ihrer Mutter, das Familienoberhaupt davon zu überzeugen, sie aufs College zu schicken, aber richtig los geht es erst, als sie sich in Ian Miller (John Corbett), den Sohn einer knorrigen Wasp-Familie, verliebt. Es muss nur noch die Sippschaft überzeugt werden.
Dass zwei so unterschiedliche Filme wie „My Big Fat Greek Wedding“ und „Bowling for Columbine“ in Amerika zu den (relativen) Überraschungshits des Jahres 2002 avancierten, ist gar nicht so verwunderlich, denn letztlich arbeiten beide – wenn auch mit unterschiedlicher Rhetorik – mit vergleichbaren Argumenten. Der linksliberale Patriot Moore zeigt, dass die Genese der „wahren“ amerikanischen Nation innerhalb der eigenen vier Wände beginnt, indem er dem Zuschauer gewissermaßen die Negativprojektion der „Greek Wedding“-Großfamilie vorhält: Schüler, die im heimischen Keller Napalmbomben basteln und nach dem Bowling in der Schule ein Massaker veranstalten; allein erziehende Mütter, die jeden Morgen zwei Stunden zur Arbeit fahren müssen; Jugendliche, deren Realitätsbild durch Fernseh- und Videospielkonsum zunehmend medialisiert worden ist. Wie erbaulich ist dagegen doch die Monade einer gut funktionierenden Familie – auch wenn wir natürlich alle wissen, dass der soziale Druck hier ähnlich hoch ist wie auf dem freien Markt der Gefühle. Und einen Dachschaden haben die natürlich sowieso alle.
In „My Big Fat Greek Wedding“ arbeitet das alles so reibungslos zusammen, dass einen während der 90 Minuten vollkommen das Gefühl verlässt, hier mächtig das Gehirn gewaschen zu bekommen. Natürlich sind die Stereotypisierungen der griechischen Kultur (Feta, Ouzo, Syrtaki) einigermaßen blöd, wenn auch weit von Xenophobie oder Rassismus entfernt. Immigrantenwitze sind in Amerika vergleichbar mit unseren Ostfriesen- oder Polenwitzen, auf Dauer wird das allerdings etwas ermüdend. Konsensfähig bleibt allein die neohellenistische Philosophie von Vater Portokalos bei seiner Rede als Brautvater: „In the end, we're all Fruit!“ Als Obst oder Gemüse bezeichnet der Amerikaner den geistigen Schwundzustand seiner Landsleute.
„My Big Fat Greek Wedding“, Regie: Joel Zwick, mit Nia Vardalos, John Corbett, Michael Constantine, Lainie Kazan u. a., USA 2002, 95 Minuten
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