Im Wechselbad der Gefühle

In Saudi-Arabien ist ein Krieg gegen das arabische und muslimische Nachbarland Irak unpopulär. Doch gleichzeitig herrscht Angst vor Saddam Hussein und Angriffen mit Massenvernichtungswaffen. Die Beziehungen zu den USA sind nach wie vor eng

Ein klares Nein zum Krieg gab es bisher nicht, und es wird auch keins geben

aus Dschiddah REEM YESSIN

Gerade noch hat die Möglichkeit eines Krieges gegen den Irak die Gemüter in Saudi-Arabien erhitzt, und schon scheinen sich die Menschen mit dem offenbar Unabwendbaren abgefunden zu haben. Den Krieg wird es geben, sagen Gesprächspartner resignierend und beruhigen sich gleichzeitig selbst: „Vielleicht wäre eine Region ohne Saddam doch nicht schlecht.“

Doch gleich, ob man die Berichterstattung in den Medien verfolgt, Predigten in den Moscheen anhört oder die Aussagen von Politikern: alle nutzen die Gelegenheit, ihre Ablehnung der US-Politik auszudrücken, auf die Folgen eines Krieges hinzuweisen und vor allem, den Standpunkt Saudi-Arabiens, die Hoffnung auf eine friedliche Lösung, deutlich zu machen.

Vor zwei Wochen rief der junge, radikale Imam Lufti Ahmad, bekannt für seine antiwestlichen Predigten, in dem angesehenen Al-Shatee-Wohnviertel in Dschiddah Gott dazu auf, die Truppen der „Kreuzritter“ zu zerstören. Dies ist ein neuer Tenor, denn seit dem 11. September 2001 forderte er üblicherweise seine Zuhörer dazu auf, Juden und Christen für ihren Hass gegenüber Muslimen zu bestrafen.

Klar scheint, der Krieg gegen den Irak steht vor der Tür, die Frage ist nur der genaue Zeitpunkt. In Saudi-Arabien wird spekuliert, der Krieg könne während der Hadsch, der jährlichen Pilgerfahrt nach Mekka, zwischen dem 7. und 10. Februar anfangen oder aber am 24. Februar, dem Beginn des Bodenkrieges im letzten Golfkrieg 1991.

Vor allem junge Saudis sind frustiert über die Macht der USA, sich in alles und jedes einzumischen. „Sie wollten schon unsere Lehrpläne ändern, mit welchem Recht?“, fragt sich die 36-jährige Muna T., Angestellte der Saudi American Bank. In der Tat wurde vor einigen Monaten von den USA moniert, es gäbe zu viele religiöse Fächer an den Schulen; dies würde den Terrorismus fördern, was zu heißen Debatten führte. Muna glaubt wie viele Saudis, der einzige Grund für die Präsenz der USA in der Region sei doch offensichtlich Erdöl. „Dafür würden sie alles riskieren, sogar das Leben ihrer eigenen Soldaten. Und sie haben die Arroganz, sich in unseren Lebensstil einzumischen.“

So denkt auch der 39-jährige Ahmad M., der seine Jugend in den Staaten verbracht hat und zu wissen glaubt, wie die Amerikaner über die Welt denken. „Uns wollen sie gar nicht helfen, sie schützen doch nur ihre eigenen Interesse“, sagt er. „Überall auf der Welt greifen sie nur da ein, wo ihre Interessen liegen.“

Doch so einfach liegen die Dinge nicht, denn was wäre Saudi-Arabien ohne die Unterstützung der USA? „Ohne Amerika wären wir im letzten Golfkrieg von der Landkarte verschwunden“, glauben viele, darunter auch der Computerfachmann Tarik K. „Auch wenn wir die Amis nicht mögen, sind wir auf ihre Hilfe und leider auch auf ihre Macht angewiesen.“

Die erste Nervenprobe erfolgte in Dschiddah vor drei Wochen, als zum ersten Mal die Sirenen heulten. Eine Probe für den Krieg. Da wurde es den Saudis doch mulmig. Plötzlich wurde die Gefahr real, unabhängig von Hass, Frustrationen und Mitgefühl für die irakische Bevölkerung. Vor allem die Angst vor Angriffen mit biologischen oder chemischen Waffen beherrschte die Gemüter. Nein, das wollen die Saudis nicht noch einmal erleben. Lieber weg mit Saddam Hussein. Dennoch stürzt der Gedanke an einen Angriff auf den Irak jeden Saudi in einen Zwiespalt. Immerhin geht es um einen Krieg gegen ein arabisches, muslimisches Nachbarland, ein Symbol für Geschichte, Kultur und Intellektualismus.

Die Imame in den Moscheen machen aus ihrer Haltung kein Hehl: kein Angriff des Westens auf muslimisches Land darf unterstützt werden, wer es dennoch tut, ist ein Verräter. Doch die Menschen auf den Straßen sehen das anders: sie halten Saddam Hussein auch für eine Gefahr. Gleichzeitig wird aber kritisiert, dass die USA Irak zur Rechenschaft ziehen, nicht aber Länder wie Israel. Sorgen bereiten auch die möglichen Folgen eines Krieges. Bisher stiegen die Erdölpreise drastisch, von der Zahl möglicher unschuldiger Opfer ganz zu schweigen.

Die saudische Regierung möchte einen Krieg am liebsten vermeiden und in jedem Falle erst einmal Beweise für das irakische Massenvernichtungswaffen-Programm sehen. „Ein klares Nein zum Krieg gab es bisher nicht, meiner Meinung nach wird es auch keins geben“, meint Mohammed S., Journalist bei einer bekannten Zeitung in Dschiddah. „Der Grund dafür sind die starken Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und den USA.“

Amerika und Saudi-Arabien verbindet eine 70-jährige Freundschaft. Manche, auf beiden Seiten, mögen an der Stabilität der Beziehung zweifeln oder daran rütteln. Doch Mohammed S. sagt bestimmt: „Diese Beziehungen sind stark, weil die Gemeinsamkeiten der Interessen sehr ausgeprägt sind.“