blondes im glas: Grün in der Urne
Holländische Wahlparty
In der hinteren Ecke der Botschaftshalle ist eine Leinwand aufgebaut. Stimmengewirr auf Niederländisch. Ungefähr 200 Berliner Niederländer sind am Mittwochabend gekommen – mehr als bei der letzten Wahlparty im Mai 2002. „Politik ist heutzutage spannend in den Niederlanden“, freut ich Marja Verburg von „Berlijnse avonden“. Ihr Mitstreiter Jost Schimmelpenninck stimmt zu, wünscht sich von der nächsten Regierung aber vor allem Ruhe. Eine stabile Koalition – das ist ein oft gehörter Wunsch an diesem Abend.
Kurz vor den Wahlen im Mai wurde der Rechtspopulist Pim Fortuyn ermordet. Seine Partei LPF zerrieb sich danach in ständigen Querelen. Die von der LPF gestützte konservativ-liberale Regierung platzte schnell. „Jokers“ – Clowns, kann Schimmelpenninck über die LPF nur sagen. Die will er nicht mehr in der Regierung haben, sagt er und nippt an seinem „Biertje“.
Erste Hochrechnungen werden mit Klatschen und vereinzeltem Gejohle kommentiert, als deutlich wird, dass die Sozialdemokraten wie erwartet wieder dazugewinnen und die LFP verliert. Überraschender ist der Ausgang des internen Urnengangs auf der Wahlparty. Die niederländischen Grünen (Groen links) sind hier stärkste Kraft. Der stellvertretende Botschafter, Ron van Dartel, lacht auf und mutmaßt, ob Selektivität der Niederländer, die nach Berlin gehen, oder die Berliner Luft an diesem Ergebnis Schuld sei.
Wessel Muller wohnt schon seit drei Jahren in Berlin. Der junge Künstler findet Politik in Deutschland spannender als in seiner Heimat. „In Berlin ist politisch einfach mehr los“, meint er. Obwohl sich auch die politische Kultur in den Niederlanden in letzter Zeit verändert habe.
Am Wahlergebnis in Holland wird sich an diesem Abend nicht mehr viel ändern. Nur die Koalitionsfrage bleibt ungewiss, in Den Haag und auch in der Botschaft in Berlin. Aber, der eher links eingestellten Katja Geelhoed ist das eigentlich fast egal. „Alles ist besser als das, was wir momentan haben“, sagt sie und wünscht sich von der nächsten Regierung vor allem eins: weniger Chaos.
Dann stürzt sich Geelhoed zurück in den Trubel und holt sich ein neues Bier.
SUSANNE VANGEROW
ausland SEITE 10
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