Schmutziger Kampf der Politgiganten

Heute versucht Tschechiens Parlament erneut, einen Präsidenten zu wählen. Stimmenschacher auf die unfeine Art

PRAG taz ■ Auf der Prager Burg wird heute eine neue Runde im Kampf um die Nachfolge Václav Havels eingeläutet. Seit dem Scheitern des ersten Wahlgangs am Mittwoch vergangener Woche ist die tschechische Präsidentenwahl zu einem Kampf der Politgiganten ausgeartet. Zwei ehemalige Premierminister, der Konservative Václav Klaus und sein langjähriger sozialdemokratischer Widersacher Miloš Zeman, versuchen schon seit Tagen die Stimmen der entscheidenden Parlamentarier für sich zu gewinnen.

Gefährlich werden könnte beiden nur die Kandidatur der 74-jährigen Senatorin Jaroslava Moserová. Der werden zwar nicht so viel Chancen auf das Amt eingeräumt. Die ehemalige Ärztin des Studenten Jan Palach, der sich 1969 auf dem Wenzelsplatz verbrannt hatte, könnte aber dafür sorgen, dass keiner ihrer beiden Konkurrenten eine ausreichende Mehrheit erhält.

Sollte dies tatsächlich der Fall sein, steht wohl demnächst eine Verfassungsänderung an, die eine Direktwahl des Präsidenten durch das Volk ermöglichte. Das würde, Umfragen zufolge, am liebsten Václav Klaus auf der Prager Burg sehen. Chancenlos bliebe dagegen Miloš Zeman, der in direkten Wahlen kaum 10 Prozent erhalten würde.

Ungleich höher sind seine Chancen allerdings im Parlament, wo er eine starke Anhängerschaft hat. Dabei hatte sich Zeman im Juni vergangenen Jahres von der politischen Bühne verabschiedet. Er habe das Recht auf Rente, erklärte der ehemalige Prognostiker vor den Parlamentswahlen im Juni 2002, zog sich aufs Land zurück und ließ sich fortan nur noch in Wollpullis und Hausschuhen ablichten. Geglaubt hat ihm schon damals kaum einer, deshalb war die Überraschung nicht besonders groß, als Zeman Anfang der Woche ein Büro im Abgeordnetenhaus bezog.

Bitter aufgestoßen ist die politische Auferstehung des Miloš Zeman vor allem seinen Genossen. Die neue Riege der Sozialdemokraten sehe ihren ehemaligen Chef nämlich lieber weiterhin in Pantoffeln auf seinem Alterssitz als in Amt und Würden auf der Prager Burg.

So unklar der Ausgang der heutigen Wahl auch sein mag – klar ist, dass Fairness in diesem Kampf nicht angesagt ist. In ihrem Bemühen, Stimmen für sich zu gewinnen, haben sowohl Klaus als auch Zeman gerne mal in den politischen Dreck gegriffen. Zeman soll mittels seiner Unterstützer sogar versucht haben, einen Abgeordneten der Klaus-Partei ODS zu bestechen. „Das sind verzweifelte Verleumdungen, die ein, zwei Tage vor den Präsidentenwahlen in die Welt gesetzt wurden, um die Szene zu vernebeln“, reagierte Zeman auf diese Anschuldigung.

In einem hat der Mann der starken Worte Recht. Die Gerüchteküche an der Moldau brodelt: wer mit wem und für wie viel. So soll die ODS für 25 Millionen Kronen die Stimmen von 10 kommunistischen Abgeordneter gekauft haben, während die Christdemokraten angeblich planen, das Wahlgeheimnis zu brechen und die Stimmzettel ihrer Abgeordneten zu kontrollieren. Beweise für all diese Anschuldigungen gibt es bislang allerdings nicht. ULRIKE BRAUN