Der größte Einbruch seit dem Krieg

Minus fünf Prozent beim Umsatz, minus 160.000 Jobs – das Jahr 2002 war für die Bauwirtschaft das siebente Krisenjahr in Folge. Auch wenn ein Investitionsprogramm angeschoben werden soll – es wird wohl ein achtes Krisenjahr folgen

aus Berlin MARIUS ZIPPE

Katastrophenjahr, größter Einbruch der Nachkriegszeit, Pleitenrekord: Ignaz Walter, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), war gestern in Berlin um keinen negativen Superlativ verlegen. Allerdings ließen die Geschäftszahlen der Bauwirtschaft für 2002 auch nichts anderes zu: Was Walter zu verkünden hatte, ist nichts anderes als die Bilanz eines Niedergangs.

Nach Erhebung des Verbandes schrumpfte der Umsatz im vergangenen Jahr um 5 Prozent. Insgesamt mussten die Firmen 160.000 Menschen entlassen. Für die Branche setzte sich damit ein Abschwung fort, der jetzt beireits sieben Jahre andauert. Seit dem Spitzenjahr 1995 verloren etwa 570.000 Menschen ihren Job – 40 Prozent aller Bauarbeiter. Die Gründe der Krise sieht der HDB vor allem in der anhaltenden Konjunkturschwäche der deutschen Wirtschaft. Nach Ansicht des Verbandes ist 2003 kaum mit mehr als 1 Prozent Wachstum zu rechnen. Investitionen würden aufgeschoben.

Ihr Fett bekamen gestern auch die Banken ab. Diese seien für die Baufirmen inzwischen zu einem „Kernproblem“ geworden. Auf große Pleiten am Bau anspielend, räumte für HDB-Präsident Walter zwar ein, dass die Kreditinstitute in der Vergangeheit „oft beschissen worden sind“. Die Folge wäre derzeit, dass Kredite nur übervorsichtig vergeben würden. Oft hätten Controller und Analysten der Banken aber keine Ahnung vom Baugeschäft.

Dass sich die Baukrise auch ein achtes Jahr fortsetzt, dafür sprechen alle Prognosen des Bauverbandes. So soll der Umsatz noch einmal um fast vier Prozent sinken, weitere 40.000 Jobs könnten wegfallen.

Trotz aller Düsternis erwartet der HDB für 2003 allerdings eine Wende. Doch Walters Hoffnungen sind auf vage Fakten gestützt. Dazu zählt für die Bauwirtschaft die Einführung der Lkw-Maut, die Geld für den Straßenbau bringt. Außerdem könne die Bundesregierung gar nicht anders, als massiv in die Infrastruktur zu investieren. Bei einem weiteren Verfall der öffentlichen Bauten würde eine „riesige Kapitalvernichtung drohen“.

In der Politik scheinen die Argumente inzwischen Gehör zu finden. Trotz Sparhaushaltes sinken die Ausgaben für Investitionen 2003 nicht, wie ein Sprecher des Bauministeriums gestern der taz erklärte. Ähnlich hatte bereits Ottmar Schreiner, der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, argumentiert: Vor allem in Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser müsse dringend investiert werden. Sein Vorschlag: ein Investitionsprogramm von 20 Milliarden Euro.

Zunächst ändert sich aber nichts daran, dass Deutschland im EU-Vergleich bei öffentlichen Investionen auf dem letzten Platz liegt. Diese haben am Bruttoinlandsprodukt einen Anteil von 1,5 Prozent, der EU-Durchschnitt liegt bei 2,5 Prozent. Für die Bauwirtschaft sind das harte Fakten. Und so erscheint Walters Wendehoffnung als reiner Zweckoptimismus. Schon vor einem Jahr hatte er mit ihr gerechnet – im Katastrophenjahr 2002.