Simulation und Lüge

Regisser Sebastian Schlössser versöhnt, was Autor Jens Roselt offen ließ: „Dreier“ im Schauspielhaus-Malersaal

„Was wollen die Leute sehen?“, brüllt Myriam Schröder verzweifelt. Der Fernsehjournalistin drohen im Medienbrei die Ideen abhanden zu kommen. Also verlegt sie sich auf den Kick im Privatleben. Ihr Mann, ein besessener Staatsanwalt, brütet eh nur über Plädoyers. Zwischen all den Aktenordnern kommen die Ehegefühle zu kurz. Die lebt sie lieber mit seinem besten Freund, einem elegisch-infantilen Augenarzt, gespielt von Jörg Ratjen, aus.

Die Premiere von „Dreier“ im Malersaal versprach eine klassische Betrugsgeschichte mit vielen Anlässen zur Komik zu werden. Doch der junge Autor Jens Roselt beherrscht das Spiel mit dem Genre perfekt. Er zelebriert die Boulevardkomödie und führt sie mit irrwitzigen Wendungen ad absurdum. Da verwundert es nicht, dass Roselt, Jahrgang 1968, bereits eine Promotion zum Thema „Die Ironie des Theaters“ verfasst hat. In dem erst 25-jährigen Sebastian Schlösser hat er einen Regisseur gefunden, der seine Kollegen gut beobachtet hat. Erfreulich liebevoll behandelt er Text und Artikulation und findet immer neue Gesten für seine Darsteller. Das zeichnete bereits seine erste Inszenierung „Nicht Nichts“ von Jannis Klasing aus.

„Dreier“ ist beileibe nicht die maßgebliche Betrugsgeschichte, aber eine besonders pointenreiche ist es allemal. Der Betrug passiert im improvisierten Loft des Augenarztes, der Malersaal wird zur leeren Halle, mit grünem Teppich, Sessel, Hausbar – und in der Ecke ein unbeschäftigtes Tonbandgerät, eingerichtet von Hannah Landes. Hier winden sich die drei Darsteller in schnittigen Dialogen umeinander.

Myriam Schröder gibt perfekt die laszive Schlampe, die plötzlich nach großen Gefühlen greift. Der liebende Hanswurst Jörg Ratjen ist so vom Selbsthass zerfressen, dass er, während er ihr liebevoll den Po streichelt, über die Ratten und Tauben in seinem Hausimbiss „Istanbul III“ philosophiert. Als der Ehemann plötzlich in der Tür steht, beginnt Ratjen ein gefährliches Spiel. Er will im Gesicht des Anwalts sehen, „wenn die Ahnung zur Gewissheit“ wird und provoziert ihn mit zynischen Anspielungen. Etliche komödiantische Verschiebeeffekte später kommt alles ans Licht. Dem ohnmächtigen Anwalt bleibt nur die Flucht in die Lüge einer Simulation.

Bei Roselt endet das Stück in der Katastrophe, im Malersaal entscheidet sich Schlösser zu einer überraschenden, versöhnlicheren Wendung. Ist alles am Ende nur ein Spiel im Spiel?

ANNETTE STIEKELE

nächste Vorstellungen: 2., 4., 14.+15. Februar, 20 Uhr, Malersaal