Wir waren Helden

Mit allerbester Laune schwitzten und schrammelten sich Fehlfarben im Schlachthof durch ihre Greatest Hits

„Wir wollen ja auch gar keine Freude vermitteln!“ hatte Peter Hein, Sänger und Texter der Fehlfarben, unlängst in einem Interview geschnarrt. Wer deren Bandgeschichte auch nur flüchtig mitverfolgt hat, hätte dieses vornehmen Understatements wohl nicht mehr bedurft. Musik und Texte der Fehlfarben sind an Tristesse und Hoffnungslosigkeit nicht zu übertreffen. Schrammelige Gitarrenriffs und bittere Plattenbau-Lyrik machen seit zwei Jahrzehnten deutlich: Grund zum Feiern gibt es heute genauso wenig wie zu Zeiten des Debütalbums „Monarchie und Alltag“, den eigenen Mythos vielleicht ausgenommen. Die herrschenden Verhältnisse diktieren nun mal immer noch Zynismus, Weltekel und ätzenden Spott. Doch im Schlachthof schafften sie es im Handumdrehen, ihre eigene Legende zu demontieren.

Dabei war der Start durchaus gelungen. Zwei Diaprojektoren warfen deprimierende Vorstadt-Szenen an die Wand, während Sänger Hein im tadellosen italienischen Dreiteiler mit säuerlicher Miene Texte herausbellte wie: „Der einzige Sieg nach all dieser Zeit, ist, dass du immer noch hier bist, und nur noch manchmal breit.“ Alles wie erwartet.

Es folgt ein Querschnitt durch die gesamte Bandgeschichte, schwerpunktmäßig vom aktuellen Album „Knietief im Dispo“, denn „das neue Album zu promoten macht ja doch am meisten Spaß“, wie Hein bekennt. Und da haben wir auch schon den Salat. Hatte der Meister des abgründigen, boshaften Innuendos anfangs noch durch kluge Zurückhaltung geglänzt, um sein Humorkonzept nicht zu überstrapazieren, wird es mit jeder Ansage immer platter und hemdsärmliger. Bei „Grauschleier“ ist der Alte dann zum ersten Mal völlig entfesselt, karikiert wirr grinsend klischeehafte Rockposen, spielt Luftgitarre und benimmt sich zusehends wie ein verzweifelter Alleinunterhalter auf einer Butterfahrt. Ist‘s der Alkohol? Oder doch die Trunkenheit am eigenen Legendenstatus?

Auch die Begleitband des verschwitzten Rock-Dandys taut allmählich auf und rockt sich mit immer besser werdender Laune durch’s Programm. Anstatt, wenn schon nicht sich selbst, zumindest ihr musikalisches Werk mit etwas mehr Würde und Respekt zu behandeln, wird der Überklassiker „Paul ist tot“ in einer getragenen Monumentalversion mit viel zu viel Hall inszeniert. „Ich bin Nena“, ruft Hein bei der Bandvorstellung, „und das hier sind abgewichste Rockschweine!“

Gern lässt man sich von der rasenden Menge zu Zugaben überreden. Als siebenundachtzigste kommt sogar noch die alte Der Plan-Nummer „Alte Pizza“, die Stimmung steigt auf Ballermann-Niveau.

Inmitten des grotesken Frohsinns-Infernos taumelt Peter Hein, nun reichlich derangiert, die Weste aufgeknöpft, die Krawatte auf halb acht, ein Bier in der Hand, wie auf einer feuchtfröhlichen Familienfeier. Und hat mit seinen Jungs den Spaß seines Lebens.

till stoppenhagen