CDU: 100 TAGE OPPOSITION WAREN NETT – DAS WIRD SICH NUN ÄNDERN
: Blockaden blockiert

100 Tage Rot-Grün wollte Angela Merkel gestern bewerten. Aber genauso gut könnte man auch die 100 Oppositionstage der Union betrachten. Obwohl es sich zunächst kaum zu lohnen scheint, denn es war eine bequeme Zeit. Anfangs hat man sich zwar um Posten gestritten; und die männliche Republik staunte, als es Angela Merkel fast problemlos gelang, den Fraktionsvorsitz von Friedrich Merz zu entern. Aber danach hat die Union nur noch gelassen zugesehen, wie die Regierung mit immer neuen Defiziten kämpfte und in den Umfragen abstürzte. Der CDU-Sieg in Hessen ist fast sicher, der Machtwechsel in Niedersachsen möglich.

Diese neue Stärke ist jedoch auch Schwäche. Jetzt wird sich die Union erst recht überlegen müssen, wie sie im Bundesrat agiert. So bequem, wie sie scheint, war die Oppositionsrolle schon bisher nicht. Und sie wird noch unbequemer, da das einfachste Rezept versagt: alle zustimmungspflichtigen Gesetze abzulehnen. Diese Idee war so nahe liegend, dass die Union sie sofort ausprobiert hat – erfolglos. Ursprünglich nämlich wollte man die Hartz-Reformen für den Arbeitsmarkt weitgehend scheitern lassen. Doch dann ging das böse Wort von der „Blockade“ um, die Union geriet unerwartet in die Defensive. Plötzlich sah man sich genötigt zu erklären, dass doch nicht die Union, sondern die SPD blockiere. Man versuchte die eigene Blockade als Gegenblockade zu verkaufen. Das war zu kompliziert für die Wähler. Es blieb nur der Kompromiss im Vermittlungsausschuss.

Dieses Muster wird sich wiederholen. Zwar nicht beim Zuwanderungsgesetz. Das dürfte die Union bis zum Schluss ablehnen, um etwas verquer, aber deutlich zu symbolisieren, wodurch sich die CDU von anderen Parteien unterscheidet. Aber bei den Steuern, bei der Gesundheits- und Rentenversicherung wird es zu Kompromissen kommen, auch wenn Merkel gestern das Gegenteil behauptet hat. Die Union steht vor einer Alternative, die sie nicht begeistern kann. Entweder sie blockiert, was sie auf Dauer nicht beliebter macht. Oder sie kooperiert. Dann sind die Haushaltsdefizite der rot-grünen Regierung bald auch ihre Defizite. Die starke Union kann einem wirklich Leid tun.

ULRIKE HERRMANN